Er
verloren. Franks Ziel waren nicht die Pullover für die Frauen, sondern das Säcklein mit dem weißen Pulver, das er irgendwo im Hotelzimmer versteckte.
»Gibst du mir was davon ab?«, fragte Jensen. Es gefiel ihm, jetzt so locker damit umgehen zu können.
»Was denn?«, fragte Frank.
»Von dem Zeug, das du dir gleich in die Nase ziehst.«
Frank schnippte den Zigarettenstummel dem Hund vor die Schnauze, die Funken erschreckten das Tier, es blieb kurz stehen, breitbeinig, um vor Hunger nicht umzufallen.
»Sieht man mir das an? Scheiße.«
Er schweig eine Weile, besorgt über seine Sicherheitslücken.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du darauf stehst«, sagte er. »Aber ich kann dir nichts abgeben. Anna hat es besorgt. Und sie hat es durch die Flughafenkontrolle geschmuggelt. In ihrem schönen Leib. Wenn Männer wert auf Weiber legen, tun sie’s oft der Leiber wegen. Es reicht leider nicht für drei, sorry. Du holst einfach nur Leas Pullover, okay?«
Frank legte den Arm um Jensen und mäßigte das Tempo, sie schlenderten jetzt. Wie alle Süchtigen, dachte Jensen, will er mir zeigen, dass er es nicht eilig hat.
»Hast du denn schon eine gefunden?«, fragte Frank.
»Was?«
»Eine Wohnung. Lea sagte, dass du eine Wohnung suchst. Du willst nicht mehr nach Belgien zurück. Du liebst sie. Und sie liebt dich. Da bin ich mir ganz sicher.« Er klopfte Jensen auf die Schulter.
»Ich suche noch.«
»Und du ziehst tatsächlich nur wegen Lea nach Berlin? Das ist wahre Liebe.« Sein Repertoire an Floskeln war schon erschöpft.
»Nicht nur wegen ihr«, sagte Jensen. Alles Weitere wäre bei Frank schlecht aufgehoben gewesen: Annicks Verrat, und dass er es in dem gemeinsamen Haus in Brügge nicht mehr aushielt, jetzt erst recht nicht mehr.
»War da nicht was mit deiner Frau?«, fragte Frank. »Oder Exfrau? Lea hat mal was erwähnt.«
»Was denn?« Jensen biss sich auf die Zähne.
»Dass deine Ex dich verlassen hat?«
Lea wusste doch gar nichts Genaues, sie weigerte sich, mit ihm über die Vergangenheit zu sprechen, ging aber mit ihrem Halbwissen bei Frank hausieren, plauderte aus, was sie angeblich nicht wissen wollte!
»Das lassen wir mal«, sagte Jensen, die Empörung trieb ihm die Hitze ins Gesicht. Lea vertrauen? Genauso gut konnte man diesem kleinen hungrigen Hund sein Herz hinwerfen. Der Hund blickte Jensen an, als hätte er den Gedanken gerochen.
»Ja, so was tut weh«, sagte Frank. »Ich verstehe, dass du jetzt eine Veränderung brauchst. Du ziehst nach Berlin, um alles zu vergessen. Und ich will dir jetzt mal was sagen. Ich bin froh, dass es so ist. Dass du nicht nur wegen Lea nach Berlin ziehst. Schau mal die da!« Er meinte ein japanisches Pärchen, das sich unter einer Straßenlaterne selbst fotografierte. »Mit Japanern wird alles unwirklich«, sagte er. »Man sollte mal Casablanca mit japanischen Schauspielern nachdrehen. Oder die Mona Lisa als Japanerin. Die Sixtinische Kapelle neu malen, nur mit Japanern.«
Jensens Misstrauen Lea gegenüber war trockenes Stroh, leicht entflammbar, und Frank steckte schon die zweite Fackel hinein.
»Du bist froh, dass ich nicht nur wegen ihr nach Berlin ziehe? Warum denn?«
»Ich sag dir jetzt was.« Frank blieb stehen, um sich eine neue Zigarette anzuzünden. »Ich sag’s dir, weil ich dich mag. Du bist pfiffig, das gefällt mir. Ich glaube, du hast dir noch nie die Nase gepudert, wie man das wohl so nennt, wenn man’s selber nicht tut. Aber es hat dir Spaß gemacht, rauszufinden, dass ich mir die Nasenscheidewand ruiniere.« Er lachte, zog die Nase hoch, wippte mit dem Kopf. »Okay, ich sag dir jetzt was. Lea zeichnet. Und sie zeichnet sehr gut. Wusstest du das?«
»Nein.«
»Mach dir nichts draus. Niemand weiß es. Nicht einmal Anna.«
»Und warum weißt du es?«
»Versprich mir, dass es unter uns bleibt.«
»Ja.«
»Der Hund hört aber zu.« Frank klatschte in die Hände, der Hund wich zurück. »Na gut. Ich hatte mal eine Affäre mit Lea. Kurz nachdem ich Anna kennengelernt hatte. Ich war verliebt in Lea, sie nicht in mich. Ich war auch nicht wirklich verliebt, aber ich hätte Anna verlassen wegen ihr, das schon. Und das ging natürlich nicht, für Lea. Das stand außer Diskussion. Ein bisschen spielen, mehr war das nicht.« Er rieb sich den Rotz unter der Nase weg und wischte sich die Hand am Jackett trocken. Seine kurzen, vulgären Finger, Jensen wandte den Blick ab. »Wir haben drei- oder viermal miteinander geschlafen. Es dauerte immer ziemlich
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