Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
zusammen. Dann nahm sie den Löffel aus dem Mund und band ihn mit der behelfsmäßigen Schnur außen an ihr linkes Bein, sodass er unter dem Saum ihres Hemdes verschwinden würde.
Es musste ihr linkes Bein sein, weil Galbatorix stets rechts von ihr saß.
Sie stand auf und überzeugte sich davon, dass der Löffel nicht zu sehen war. Dann machte sie einige Schritte, um sicherzustellen, dass er nicht herunterfallen würde.
Er tat es nicht.
Erleichtert atmete sie aus. Jetzt musste sie nur noch zu der Steinplatte zurückkommen, ohne dass ihr Wärter merkte, was sie getan hatte.
Der Mann erwartete sie, als sie die Tür des Aborts öffnete. Er starrte sie finster an, sodass sich seine spärlichen Augenbrauen über dem Nasenrücken trafen und eine einzige gerade Linie bildeten.
»Löffel«, sagte er und spie das Wort aus, als sei es ungenießbar.
Sie reckte das Kinn und deutete hinter sich in den Abort.
Die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich. Er trat in den Abort und untersuchte sorgfältig die Wände, den Boden, die Decke und alles andere, bevor er wieder herausgestapft kam. Wieder ließ er die Zähne aufeinanderklappern und kratzte sich seinen knollenartigen Kopf. Er wirkte unglücklich und sogar ein wenig verletzt, dass sie es gewagt hatte, den Löffel wegzuwerfen. Sie war freundlich zu ihm gewesen und sie wusste, dass ein Akt solch kleinlichen Trotzes ihn durcheinanderbringen und wütend machen würde.
Sie widerstand dem Drang, zurückzuzucken, als er einen Schritt auf sie zukam, ihr seine schweren Hände auf den Kopf legte und mit den Fingern ihr Haar durchkämmte. Als er den Löffel nicht fand, machte er ein enttäuschtes Gesicht. Dann griff er nach ihrem Arm, führte sie zu dem Stein hinüber und legte ihr wieder die Fesseln an.
Anschließend griff er mit mürrischer Miene nach dem Tablett und schlurfte aus dem Raum.
Sie wartete, bis sie sich ganz sicher war, dass er gegangen war, bevor sie die Finger ihrer linken Hand ausstreckte und mühsam Zoll für Zoll den Rand ihres Hemdes hochzog.
Ein breites Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie mit der Spitze ihres Zeigefingers die Wölbung des Löffels ertastete.
Jetzt hatte sie eine Waffe.
EINE KRONE AUS SCHNEE UND EIS
A
ls die ersten blassen Lichtstrahlen über die Oberfläche der gekräuselten See fielen und die Kämme der durchscheinenden Wellen beleuchteten – die funkelten, als seien sie aus Kristall gemeißelt –, kehrte Eragon aus seinen Wachträumen zurück und ließ den Blick nach Nordwesten schweifen. Das erste Tageslicht enthüllte die sich dort in der Ferne auftürmenden Wolken.
Was er sah, war beunruhigend. Die Wolkenfront zog sich von einem Ende des Horizonts zum anderen und sie hielten direkt darauf zu. Das größte der dichten weißgrauen Gebilde schien so hoch zu sein wie die Gipfel des Beor-Gebirges, also zu hoch für Saphira, um darüber hinwegzufliegen. Das einzige Stück blauen Himmels lag hinter ihnen und selbst das würde verschwinden, wenn die Arme des Sturms sich um sie schlossen.
Wir werden hindurchfliegen müssen, bemerkte Glaedr und Eragon spürte, dass Saphira unruhig wurde.
Warum versuchen wir nicht, darum herumzufliegen?, fragte sie.
Eragon verfolgte, wie Glaedr die Beschaffenheit der Wolken durch Saphiras Wahrnehmung studierte. Schließlich sagte der goldene Drache: Ich will nicht, dass du zu weit vom Kurs abkommst. Wir haben immer noch eine große Wegstrecke vor uns, und wenn deine Kräfte versagen …
Dann könnt Ihr mir Eure leihen, um uns in der Luft zu halten.
Hm. Trotzdem ist es das Beste, bei aller Leichtfertigkeit vorsichtig zu bleiben. Stürme wie diesen habe ich schon erlebt. Er ist größer, als ihr denkt. Um ihn zu umfliegen, müsstest du so weit nach Westen ausweichen, dass du Vroengard weit hinter dir lassen würdest, und es würde wahrscheinlich noch einen Tag dauern, bis wir Land erreichen.
Nach Vroengard ist es nicht mehr so weit, wandte sie ein.
Nein, aber der Wind wird uns aufhalten. Außerdem sagen mir meine Instinkte, dass der Sturm sich bis zur Insel erstreckt. So oder so werden wir hindurchfliegen müssen. Trotzdem sollten wir nicht gerade mitten hindurchfliegen. Siehst du den Keil zwischen diesen beiden kleinen Wolkensäulen etwas westlich?
Ja.
Flieg dorthin, vielleicht können wir so einen sicheren Weg durch die Wolken finden.
Eragon hielt sich vorn am Sattel fest, als Saphira die linke Schulter senkte und nach Westen schwenkte, um auf den Keil in der Wolkenfront
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