Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
sie sich der zerfurchten Front näherten – die das Größte war, was Eragon je gesehen hatte, größer selbst als Farthen Dûr –, erhellten blaue Blitze das Innere und die zuckenden Lichter krochen hoch zur Spitze des Ambosskopfes.
Einen Moment später erschütterte ein Donnerschlag den Himmel und Eragon hielt sich die Ohren zu. Er wusste, dass sie durch seine Schutzzauber vor den Blitzen sicher waren, dennoch verspürte er Furcht bei dem Gedanken, sich in die Nähe der knisternden Energiestöße zu wagen.
Wenn Saphira Angst hatte, so spürte er jedenfalls nichts davon. Er nahm nur ihre Entschlossenheit wahr. Sie beschleunigte ihren Flügelschlag und einige Minuten später hatten sie den Wolkenturm erreicht und schossen hinein in das Zentrum des Sturms.
Graues, eintöniges Zwielicht umgab sie. Es war, als hätte der Rest der Welt aufgehört zu existieren. Die Wolken machten es Eragon unmöglich, jenseits von Saphiras Nase, Schwanz und Flügel irgendeine Entfernung abzuschätzen. Sie waren so gut wie blind und einzig der stete Sog ihres Gewichts machte es ihnen möglich, zu unterscheiden, wo oben und unten war.
Eragon öffnete seinen Geist und gestattete seinem Bewusstsein, sich so weit wie möglich auszudehnen, aber er spürte keine andere lebende Kreatur, abgesehen von Saphira und Glaedr, nicht einmal einen einzigen verirrten Vogel. Glücklicherweise behielt Saphira die Orientierung; sie würde sich nicht verfliegen. Und indem er fortfuhr, mit seinem Geist nach anderen Wesen zu suchen, seien es Pflanzen oder Tiere, konnte Eragon sicherstellen, dass sie nicht gegen einen Berg flogen.
Außerdem wirkte er einen Zauber, den Oromis ihn gelehrt hatte, einen Zauber, der ihm und Saphira genau sagte, wie nah sie dem Wasser – oder dem Boden – waren.
Von dem Moment an, als sie in die Wolke eintauchten, begann sich die allgegenwärtige Feuchtigkeit auf Eragons Haut zu sammeln und durch seine Wollkleider zu dringen, die sich nach und nach vollsogen und schwer wurden. Das hätte ihm an sich nicht so viel ausgemacht, wenn er nicht durch die nasskalte Mischung aus Wasser und Wind ziemlich gefroren hätte. Noch ein bisschen länger und die Kälte würde in seine Knochen dringen und ihn umbringen. Daher wirkte er einen weiteren Zauber, der alle sichtbaren Tröpfchen aus der ihn umgebenden Luft zog – und auf Saphiras Bitte hin auch aus der Luft vor Saphiras Augen, damit sie nicht ständig blinzeln musste.
Im Inneren des Ambosskopfs wehte der Wind überraschend schwach. Eragon teilte Glaedr seine Beobachtung mit, aber der alte Drache blieb grimmig wie eh und je. Wir haben das Schlimmste noch vor uns.
Bald wurde klar, wie recht er hatte, als ein heftiger Aufwind Saphira erfasste und sie Tausende Fuß in die Höhe schleuderte. In dieser Region war die Luft so dünn, dass Eragon nicht mehr richtig atmen konnte und der Nebel zu unzähligen winzigen Kristallen gefror, die wie rasierklingenscharfe Messer auf seiner Nase und seinen Wangen brannten und auf der Haut von Saphiras Flügeln.
Saphira zog die Flügel dicht an den Körper und ging in einen Sturzflug, um dem Aufwind zu entkommen. Nach einigen Sekunden ließ der Wind, der ihr von unten entgegenwehte, tatsächlich nach, aber nun riss ein ebenso starker Abwind sie mit furchterregender Geschwindigkeit in die Tiefe und auf die Wellen zu.
Im Sturzflug schmolzen die Eiskristalle und bildeten große, runde Regentropfen, die schwerelos neben Saphira herzuschweben schienen. In der Nähe zuckte ein Blitz – ein unheimliches blaues Leuchten hinter den Wolkenschleiern – und Eragon schrie vor Schmerz auf, als gleichzeitig der Donner krachte. Ihm dröhnten noch immer die Ohren, als er zwei kleine Fetzen vom Saum seines Umhangs abriss, um sie zusammenzurollen und sich in die Ohren zu stecken, wobei er sie so weit wie möglich hineindrückte.
Erst als sie die Unterseite der Wolken fast erreicht hatten, schaffte Saphira es, sich aus der Fallböe zu befreien. Sofort packte ein weiterer Aufwind sie und schob sie wie eine riesige Hand in den Himmel.
Danach verlor Eragon jedes Zeitgefühl. Der tobende Sturm war zu heftig, als dass Saphira sich ihm hätte widersetzen können, und sie stieg in der wirbelnden Luft weiter auf und ab wie ein Stück Treibgut, das in einen Strudel geraten war. Sie kam ein Stück voran – einige lächerliche Meilen, hart erkämpft und mit großer Mühe verteidigt –, aber immer wenn sie sich aus einer Strömung gelöst hatte, war sie schon in der
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