Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Farica. Anschließend schritt sie über den weichen, von Zwergen gewobenen Teppich in der Mitte ihres Arbeitsraums zu Orrin ans Fenster hinüber, um mit ihm zusammen auf die von Kämpfen gebeutelte Stadt hinabzusehen. Sie war froh darüber, dass inzwischen alle bis auf zwei Brände entlang der westlichen Mauer gelöscht waren.
Dann richtete sie den Blick auf den König. In der kurzen Zeit des gemeinsamen Feldzugs der Varden und Surdaner gegen das Imperium war Orrin immer ernster geworden. Von seinem ursprünglichen Enthusiasmus und seiner Überspanntheit war nicht mehr viel geblieben; das alles war verschwunden hinter seinem grimmigen Äußeren. Zunächst hatte Nasuada die Veränderung willkommen geheißen, denn sie hatte das Gefühl gehabt, dass er reifer geworden war. Aber nun, da der Krieg sich in die Länge zog, begann sie die begeisterten Debatten über Naturphilosophie ebenso zu vermissen, wie seine anderen Marotten. Rückblickend begriff sie, dass er sie damit oft aufgeheitert hatte, selbst wenn es ihr manchmal lästig gewesen war. Zudem hatten diese Veränderungen ihn als Rivalen noch gefährlicher werden lassen. Sie konnte sich ohne Weiteres vorstellen, dass er in seiner gegenwärtigen Stimmung versucht war, sie als Anführerin der Varden zu verdrängen.
Könnte ich glücklich sein, wenn ich ihn heiraten würde?, fragte sie sich. Orrin war nicht hässlich. Seine Nase war schmal und gerade, sein Kinn dagegen kräftig, der Mund fein geschnitten und ausdrucksstark. Jahre der Übung in den Kampfkünsten hatten ihm einen attraktiven Körperbau beschert. Dass er intelligent war, stand außer Zweifel, und über einen angenehmen Charakter verfügte er im Großen und Ganzen auch. Sie wusste jedoch nur zu gut, dass sie es niemals in Erwägung gezogen hätte, eine Verbindung mit ihm einzugehen, wenn er nicht der König von Surda gewesen wäre und eine solch große Bedrohung für ihre Position und die Unabhängigkeit der Varden dargestellt hätte. Würde er einen guten Vater abgeben?
Orrin legte die Hände auf die schmale steinerne Fensterbank und lehnte sich dagegen. Ohne sie anzusehen, sagte er: »Ihr müsst Euren Pakt mit den Urgals auflösen.«
Seine Äußerung verblüffte sie. »Und warum?«
»Weil sie uns schaden. Männer, die sich uns früher angeschlossen hätten, verfluchen uns heute dafür, dass wir uns mit Ungeheuern verbünden, und weigern sich, ihre Waffen niederzulegen, wenn wir vor ihren Häusern stehen. Galbatorix’ Widerstand gegen uns erscheint ihnen wegen unseres Bündnisses mit den Urgals richtig und vernünftig. Das gemeine Volk versteht nicht, warum wir uns mit ihnen zusammengetan haben. Die Leute wissen weder, dass Galbatorix die Urgals nur benutzt hat, noch, dass er sie mit einer List dazu gebracht hat, Tronjheim unter dem Kommando eines Schattens anzugreifen. Das sind Feinheiten, die Ihr einem verängstigten Bauern nicht auseinandersetzen könnt. Er sieht nur, dass die Kreaturen, die er sein Leben lang gefürchtet und gehasst hat, auf sein Haus zumarschieren, angeführt von einem riesigen, brüllenden Drachen und einem Reiter, der eher aussieht wie ein Elf denn wie ein Mensch.«
»Wir brauchen die Unterstützung der Urgals«, entgegnete Nasuada. »Wir haben ohnehin schon viel zu wenige Krieger.«
»So dringend brauchen wir sie nun auch wieder nicht. Ihr wisst längst, dass ich die Wahrheit sage. Warum sonst habt Ihr davon abgesehen, die Urgals an dem Angriff auf Belatona teilnehmen zu lassen? Warum sonst habt Ihr ihnen befohlen, die Stadt nicht zu betreten? Es reicht nicht, sie vom Schlachtfeld fernzuhalten, Nasuada. Die Kunde von unserem Bündnis mit ihnen verbreitet sich trotzdem im Land. Ihr könnt nur eins tun, um die Lage zu retten: diesen unglückseligen Pakt aufkündigen, bevor er uns noch weiteren Schaden zufügt.«
»Das kann ich nicht.«
Orrin fuhr herum, das Gesicht vor Wut verzerrt. »Männer sterben, weil Ihr Euch entschieden habt, Garzhvogs Hilfe anzunehmen. Meine Männer, Eure Männer, die Männer des Imperiums … tot und begraben . Ein solches Opfer ist dieses Bündnis nicht wert und ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum Ihr es immer noch verteidigt.«
Sie konnte seinem Blick nicht standhalten. Zu stark erinnerte er sie an die Schuldgefühle und Vorwürfe, die sie so oft vor dem Einschlafen quälten. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den Rauch, der über einem der Türme am Rand der Stadt aufstieg. Zögernd begann sie zu sprechen: »Ich verteidige
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