Erbarmen
freundschaftlich auf den Rücken. »Aber immerhin hast du das mit der Liste über die Mannschaft des Fährschiffs herausgefunden. Sehr schön, Carl«, sagte er lobend, wie zu einem Kind, das brav auf den Topf gegangen war.
»Ja, auch wenn ich damit noch nicht viel anfangen konnte. Aber in dem Fax aus Godhavn ist auch Lars Henrik Jensens Personennummer vermerkt, also werden wir den Kerl schon finden. Zum Glück verfügen wir über alle Verzeichnisse, die wir dafür brauchen.«
Er gab die Nummer in den Computer ein, während Assad hinter ihm stand, und fühlte sich dabei wie ein Kind, das ein Weihnachtsgeschenk auspacken darf. Dieser Augenblick, wenn die Identität eines Hauptverdächtigen festgestellt wird, ist für alle Kriminalbeamten das Größte.
Und dann kam die Enttäuschung.
»Was bedeutet das da, Car1?«, fragte Assad und deutete auf den Monitor.
Carl verdrehte die Augen. »Das bedeutet, dass die Nummer nicht gefunden wurde. Ganz einfach: Es gibt im gesamten Königreich Dänemark keine Person mit dieser Personennummer.«
»Hast du dich auch nicht verschrieben? Steht das genau so in dem Fax?«
Er kontrollierte die Nummer. Nein, er hatte sich nicht vertippt.
»Vielleicht ist es nicht die richtige Nummer?« Schlauberger.
»Vielleicht wurde sie manipuliert.« Assad nahm Carl das Fax aus der Hand und betrachtete mit gerunzelter Stirn die Nummer. »Schau mal hier, Carl. Ich glaube, eine oder zwei Ziffern könnten verändert worden sein. Was meinst du? Sieht es nicht so aus, als sei hier und dort an dem Papier herumgekratzt worden?« Er deutete auf zwei der letzten vier Ziffern. Es war schwer zu erkennen, aber auf dem Fax war immerhin ein schwacher Schatten über zwei der maschinengeschriebenen Zahlen auszumachen.
»Selbst wenn nur die beiden Ziffern geändert wurden, gibt es hundert mögliche Kombinationen, Assad.«
»Na und? Frau Sørensen kann die Zahlen in einer schnellen halben Stunden eingeben, wenn wir einen Strauß Blumen mit nach oben schicken.«
Unglaublich, wie sich der Typ bei dieser Frauensperson eingeschmeichelt hatte. »Assad, es gibt sehr viele Möglichkeiten. Wenn man zwei Zahlen verändern kann, geht das auch mit zehn. Die von Godhavn müssen uns das Original herschicken, damit wir es genauer überprüfen können. Erst dann fangen wir an, die Kombinationen durchzurechnen.«
Er rief im Heim an und bat den Erzieher, der seinen Anruf entgegennahm, man möge das Original per Boten sofort ans Präsidium schicken. Aber dieser weigerte sich beharrlich. Man könne das Original auf keinen Fall aus der Hand geben.
Carl erklärte, warum es so wichtig sei. »Sie haben höchstwahrscheinlich jahrelang eine Fälschung aufbewahrt.«
»Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete der Erzieher selbstsicher. »Das hätten wir gemerkt. Den Behörden wird jeder Neuzugang gemeldet, damit wir die Kosten erstattet bekommen. Dabei werden sämtliche Daten der betreffenden Person weitergegeben. Wenn da etwas nicht stimmt, fliegt es sofort auf.«
»Klar. Aber was, wenn die Fälschung erst lange Zeit, nachdem die Person Sie verlassen hat, vorgenommen wurde? Wer soll das noch aufdecken? Sie müssen damit rechnen, dass die neue, gefälschte Personennummer erst fünfzehn Jahre, nachdem Atomos weg war, in Ihren Unterlagen aufgetaucht ist. Oder sogar noch später.«
»Ich fürchte, wir können das Dokument trotzdem nicht herausgeben.«
»Okay, dann müssen wir eben den Gang des Gesetzes gehen. Ich finde es nicht nett von Ihnen, dass Sie uns nicht helfen wollen. Wir ermitteln vielleicht in einer Mordsache, denken Sie mal darüber nach.«
Weder der letzte Satz noch die Drohung einer richterlichen Entscheidung gaben den Ausschlag, das war Carl von vornherein klar. Nein, der Appell an das Selbstverständnis der Leute war weitaus effektiver. Wem gefiel es schon, mit Geringschätzung behandelt zu werden? Menschen in therapeutischen Berufen jedenfalls nicht. Ausdrücke wie »nicht nett von Ihnen« klangen in deren Ohren so abwertend, dass sie eine große Wirkung erzielten. Einer von Carls Lehrern auf der Polizeischule hatte das die »Tyrannei der leisen Ausdrücke« genannt.
»Sie müssen uns zuerst eine E-Mail schicken, worin Sie verlangen, das Original zu sehen«, sagte der Erzieher.
Eins zu null.
»Wie hieß der Atomos-Junge denn nun in Wirklichkeit, Carl? Wissen wir, wie er zu seinem Spitznamen gekommen ist?«, fragte Assad anschließend. Er saß neben Carl am Schreibtisch. Einen Fuß hatte er oben in einer der
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