Erbarmen
vermutete. Er ist in Greve im Strøhusvej gemeldet.« Sie nannte die Hausnummer.
Carl blickte zu den handgeschmiedeten Zahlen an der Hausfront. Ja, das war die Nummer. »Danke, Lis«, sagte er und bemühte sich, Begeisterung in seine Stimme zu legen. »Sag Frau Sørensen Dank von uns. Das war gute Arbeit.«
»Ich hab noch mehr, Carl.«
Carl holte tief Luft. Er sah, wie Assads dunkle Augen die Umgebung absuchten. Er spürte es auch. Irgendwas war seltsam an der Art, wie diese Menschen sich hier eingerichtet hatten. Es war ganz einfach überhaupt nicht normal.
»Lars Henrik ist nicht vorbestraft. Er ist von Beruf Steward«, hörte er Lis' Stimme im Hintergrund. »Er arbeitet für die Reederei Merconi und fährt meist auf der Ostsee. Ich habe gerade mit seinem Arbeitgeber gesprochen. Lars Henrik ist verantwortlich für das Catering der meisten Schiffe. Sie sagen, er sei ein tüchtiger Mann. Sie nennen ihn übrigens alle Lasse.«
Carl wandte seinen Blick von dem Hofplatz. »Lis, hast du eine Handynummer von ihm?«
»Nur eine Festnetznummer.« Sie nannte sie, aber er schrieb sie nicht auf. Wozu? Anrufen und sagen, in zwei Minuten sind wir da?
»Der Eintrag lautet auf einen Hans Jensen.«
Okay. So hieß also der junge Mann. Er bedankte sich noch mal. »Was hat sie gesagt?«
Er zuckte die Achseln und nahm die Zulassungspapiere des Autos aus dem Handschuhfach. »Nichts, Assad, was wir nicht schon wussten. Sollen wir hineingehen?«
Der magere Mann öffnete die Tür, sowie sie geklopft hatten. Er sagte nichts, ließ sie einfach eintreten, fast als erwarte er sie.
Es sollte offenbar so aussehen, als hätten er und die Frau in aller Ruhe an dem Tisch mit der geblümten Wachstuchdecke gesessen und gegessen. Vermutlich eine Dose Ravioli, die sie gerade geöffnet hatten. Würde man die Teller befühlen, wäre das Zeug bestimmt eiskalt. Ihn hielten sie nicht zum Narren. Verschwendung.
»Wir haben einen Hausdurchsuchungsbefehl dabei«, sagte er, zog die Zulassungspapiere des Wagens aus der Tasche und hielt sie dem jungen Mann kurz vor die Nase. Der zuckte bei dem Anblick zusammen.
»Dürfen wir uns etwas umschauen?« Mit einer Handbewegung schickte er Assad zu den Monitoren.
»Wie ich zu der Frage stehe, spielt wohl keine Rolle?«, sagte die Frau. Sie hatte ein Glas Wasser in der Hand und wirkte ausgemergelt. Das Aufsässige war aus ihren Augen verschwunden. Aber sie wirkte in keiner Weise furchtsam, sie schien nur resigniert zu haben.
»Diese Monitore dort, wofür werden die benutzt?«, fragte er, nachdem Assad das Bad überprüft hatte. Er deutete auf das grüne Licht, das durch den Stoff leuchtete.
»Ach, das ist etwas, worum Hans sich kümmert«, sagte die Frau. »Wir wohnen sehr abgelegen, und man hört so viel. Deshalb wollten wir Kameras anbringen, damit wir die Umgebung um das Haus überwachen können.«
Er sah, wie Assad die Decke wegzog und den Kopf schüttelte. »Die sind alle drei blank, Carl«, konstatierte er.
»Darf ich Sie fragen, Hans: Warum sind die Bildschirme eingeschaltet, wenn sie nirgendwo angeschlossen sind?«
Der junge Mann sah zu seiner Mutter hinüber.
»Die sind immer an«, antwortete sie, als sei sie erstaunt über die Frage. »Der Strom kommt von einer Anschlussbuchse.«
»Einer Anschlussbuchse, aha! Und wo sitzt die?«
»Das weiß ich nicht. Das weiß nur Lasse.« Sie sah ihn triumphierend an. Da hatte sie ihn in eine schöne Sackgasse manövriert, in der er auf allen Seiten von hohen, kahlen Wänden umgeben war. Glaubte sie.
»Lasse fährt derzeit nicht zur See, hat uns die Reederei informiert. Wo ist er?«
Sie lächelte leicht. »Wenn Lasse nicht auf See ist, dann läuft da was mit einer Dame. Da mischt sich seine Mutter nicht ein.« Das Lächeln wurde breiter. Die gelben Zähne würden gleich nach ihm schnappen.
»Komm, Assad«, sagte er. »Hier drin haben wir nichts weiter zu tun. Wir nehmen uns die anderen Gebäude vor.«
Als er durch die Tür ging, sah er sie noch aus den Augenwinkeln. Sie hatte die Hände nach den Zigaretten auf dem Tisch ausgestreckt. Das Lächeln war verschwunden. Also waren sie auf der richtigen Fährte.
»Jetzt beobachten wir genau, was rings um uns geschieht, Assad. Wir fangen da an«, sagte er und deutete zu der Halle, die die anderen Gebäude überragte.
»Assad, stell dich dahin und beobachte, ob sich irgendwo etwas tut. Alles klar?«
Assad nickte.
Als Carl sich umdrehte, hörte er hinter sich ein leises, aber unverkennbares Klicken. Er
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