Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
die Eingangshalle des Marriott zweiundzwanzig Minuten hinter dem Zeitplan. Der Taxifahrer war mit ihnen in einem Zickzackkurs durch die Stadt gefahren, um herauszufinden, ob ihnen Fahrzeuge folgten, doch auch die Späher, die zu Fuß unterwegs waren, hatten nichts Feindliches bemerkt. Sie konnten jedoch immer noch nicht davon ausgehen, dass sie allein waren. Sofern das MSS keine besonders ausgeklügelte Operation durchführte, um die Zimmernummer des Hotels in Erfahrung zu bringen und damit Pioneer gemeinsam mit seinem Führungsoffizier zu verhaften, stiegen Kyras und Pioneers Chancen auf eine geglückte Flucht beträchtlich. Kyra hoffte, dass ihre Doppelgänger keinen unangenehmen Abend in der Arrestzelle verbringen mussten. Das MSS würde keinen konkreten Beweis haben, dass die Nähe zum Verräter und seiner Begleiterin und die fast identische Kleidung etwas mit einer Verschwörung zu tun hatten, andererseits würde das MSS auch keinen zweifelsfreien Beweis fordern. Kyra vermutete, dass die Hemmschwelle für eine Verurteilung um so tiefer sank, je mehr sich das MSS ärgerte. Sobald die Männer merkten, dass Pioneer ihren wachsamen Augen entkommen war, würde ihr Ärger ins Unermessliche steigen.
Jonathan hatte recht gehabt. Sie brauchte dringend was zu trinken, egal was, aber dies wäre der denkbar ungünstigste Zeitpunkt dafür. Ginge die Operation den Bach hinunter und würden Roland und Rebecca verhaftet werden … mit Sicherheit würde die Verhaftung zweier Kollegen als Preis für ihr Entkommen sie zur Flasche treiben.
Kyra verfluchte sich, weil sie ihre Gedanken schweifen ließ. Als wäre sie wieder in Venezuela. Dieser Moment war denkbar ungünstig für eine Selbstdiagnose. Wir sind noch nicht in Sicherheit . Kyra stieß die Luft aus, überprüfte die Eingangshalle und entdeckte die Fahrstühle. Während sie Pioneer an der Rezeption vorbeiführte, griff sie in ihre vordere Tasche, aus der sie ihr billiges Wegwerftelefon herauszog.
Sie wählte die zweite einprogrammierte Nummer, die zum Mobiltelefon des Stationsleiters gehörte. Beide Telefone würden am Ende sicher entsorgt werden, aber wo und wie, hatte ihr Mitchell nicht erzählt. Dies würde das letzte Gespräch sein, das sie mit diesem Telefon führte.
Sie war überrascht, Jonathans Stimme zu hören. »Wir haben Sie zum Abendessen erwartet. Ihre Eierpfannkuchen sind kalt«, sagte er. Mit Sicherheit hatte Mitchell ihn angewiesen, was er sagen sollte. Der erste Satz war das Passwort, der zweite enthielt einen leichten Tadel. Sie sind spät dran .
Er hatte noch nie in Peking telefoniert, wie Kyra klar wurde, und das MSS hatte seine Stimme noch nicht aufgezeichnet. Von Mitchell gab es mit Sicherheit eine Stimmaufzeichnung, daher war es unverfänglicher, mit Jonathan zu sprechen, falls das Telefon abgehört würde. Da sie gemeinsam durch den Zoll gekommen waren, würde ein Abgleich mit Überwachungsvideos und Stimmaufzeichnungen die Tatsache unterstützen, dass sie gemeinsam reisten.
»Tut mir leid, ich habe noch mit ein paar Freunden geredet«, erwiderte sie. »Ich hoffe, das Essen war nicht allzu teuer.« Pioneer ist bei mir. Wo seid Ihr?
»Nein, teuer war es nicht. Umgerechnet zehn Dollar und zweiundzwanzig Cent, ohne Trinkgeld.« Zimmer 1022. Irgendwann würde die Spionageabwehr herausfinden, was Jonathan mit seinen Worten gemeint hatte. Zuerst würde sie das Gespräch von allen anderen zu diesem Zeitpunkt von Westlern in Peking geführten Gesprächen isolieren, Kyras Position triangulieren und das Gespräch ins Chinesische übersetzen. Dann müssten sie so schlau sein, den Preis im Marriott für Eierpfannkuchen herauszufinden, und merken, dass Jonathan angesichts des Wechselkurses an diesem Tag von Yuan in US-Dollar ziemlich verkehrt gelegen hatte. Kyra hatte lange genug in der Verwaltung gearbeitet und wusste, dass sie dieses Kunststück nicht beherrschten und in der nächsten Stunde keine bewaffnete Einheit Zimmer 1022 stürmen würde.
»Wärmen Sie es für mich auf.« Ich komme nach oben . Sie drückte die Austaste und führte Pioneer zum Fahrstuhl.
Jonathan drückte die Austaste und gab das Handy Mitchell zurück. »Danke«, sagte Mitchell. »Ich weiß nicht, ob die Chinesen eine Sprachaufzeichnung von mir haben, die sie abgleichen können, aber ich wollte das Risiko lieber nicht eingehen, dass sie uns anhand meiner Stimme finden.« Er wusste nicht, wie viele Telefonate von ihm die Chinesen im Lauf der Jahre aufgezeichnet hatten. Am liebsten
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