Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
beschließt, das Feuer auf uns zu eröffnen. Dieselelektro, schön leise, aber sie werden alt«, erklärte Pollard. »Wenn wir die Insel zwischen sie und uns bringen, müssen sie sich uns von Süden aus nähern. Die Washington wird von Norden zu uns stoßen, sofern sie nicht die lange Route außen herum nimmt. Das wird ihren Näherungsvektor begrenzen.«
»Und wenn wir versuchen, in die Formosastraße vorzudringen?«, fragte Nagin in dem schwachen Versuch, witzig zu sein.
»Nicht, wenn ich es verhindern kann«, erwiderte Pollard. »Das ist für meinen Geschmack zu nahe an zu vielen VBA -Basen. Ich würde es vorziehen, nicht derjenige zu sein, dem der Zugang verwehrt wird.«
»Die Nimitz hat es 96 getan«, bemerkte Nagin.
»Damals waren die Chinesen noch nicht so weit, um einen Flugzeugträger der US-Marine zu beschießen. Jetzt sind sie es vielleicht. Aber mir wäre es lieber, wenn die VBA sich uns nähert. Wir haben den Taiwanern im Lauf der Jahre genug Waffen verkauft. Es hat keinen Sinn, wenn wir sie an vorderster Front verteidigen.«
Nagin nahm seinen Helm in beide Hände und betrachtete ihn. Er hatte oben in Pollards Büro dessen Fliegerhelm hinter dem Schreibtisch gesehen. Vorn stand, zerkratzt und ausgebleicht, der Name »Tycho«. Nagin hatte mit Pollard in vielen Bars viele Biere gekippt und sich die Kriegsgeschichten aus Irak und Bosnien angehört. Der Admiral hatte sich seinen Rang ehrlich verdient. War er in einen Kampf befohlen worden, hatte er sein Jagdflugzeug direkt ins Feindesland gelenkt, seine Waffen wütend abgefeuert und feindlichen Beschuss kassiert. Nagin respektierte seinen Vorgesetzten auch als Menschen und nicht nur wegen dessen Rang. Pollard flog zwar keine Kampfeinsätze mehr, doch er war mehr als ein Mal beim Teufel höchstpersönlich zu Hause gewesen und konnte seinen Männern verraten, in welcher Farbe dessen Wände gestrichen waren. Als Admiral konnte er solche Einsätze nicht mehr fliegen, sodass er sich damit zufriedengeben musste, auf dem Flugzeugträger auszuharren und zuzusehen, wie seine Männer in den feindlichen Himmel starteten. Dies war Teil der militärischen Ordnung. Nicht mehr lange, dann würde auch Nagin das Cockpit verlassen und anderen beim Fliegen zusehen.
Nagin straffte seine Schultern und blickte dem Admiral in die Augen. »Gut. Wenn Tian bis zum Äußersten gehen will, wir hatten genug Zeit, uns darauf vorzubereiten.«
Pollard lächelte. »Tian aber auch.«
Siebter Tag
SAMSTAG
Peking
Pioneer verdankte seine Freiheit seiner Gewohnheit, auf Fehler aufmerksam zu werden, noch bevor er sie beging. Er kontrollierte seine Gedanken mit einer Disziplin, um die ihn ein Mönch beneidet hätte, und er dachte immer zweimal nach, bevor er einen Schritt tat. Auch wenn er wusste, dass es nicht stimmte, ging er davon aus, dass dem Feind niemals auch nur ein leichter Fehler unterlief und dass sein Überleben nur davon abhing, es ihm gleichzutun. Für ihn bedeutete eine Pattsituation schon ein Gewinn, sodass ihm nie in den Sinn kam, dass seine Feinde genauso wie er vom Pech verfolgt wurden.
Er war in den Jingshan-Park gegangen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Es war wärmer als sonst, sodass auch andere Besucher hier waren, um den milden Wintertag zu nutzen. In der Nähe des Pavillons des Zehntausendfachen Frühlings, der im Moment seinem Namen nicht gerecht wurde, übte sich auf den Zementsteinen des Bürgersteigs eine Gruppe älterer Männer in der Kunst der Wasserkalligrafie. Sie tauchten einen Pinsel mit langem, weißem Stiel in Wasser, um anschließend die Pferdehaarborsten auf dem Boden zu einer Spitze zu drehen und Schriftzeichen zu malen. Dies diente angeblich dazu, den Geist anzuregen. Pioneer fand es schon beruhigend zuzusehen. Er war kein Künstler, doch als einer der ihm unbekannten Männer ihm seinen Pinsel reichte, weil es ihm zu kalt wurde und er nach Hause zurückkehren wollte, griff er sogleich danach und begann zu zeichnen.
Pioneers Schriftzeichen hatten nichts Elegantes, sondern ähnelten eher einer schludrigen chinesischen Handschrift, doch ihm kam es nicht auf das Künstlerische an. Er hielt sich stundenlang hier auf, verlor sich in der Tätigkeit, ohne auf die vielen Touristen und Bewohner zu achten, die ihm und den anderen Männern zusahen. Von Natur aus setzte er sich nicht gerne in Szene. Seine Spionagetätigkeit hatte ihn gelehrt, die öffentliche Aufmerksamkeit zu meiden, doch im Moment, in diesem Zustand des inneren Friedens, hatte er keinen
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