Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
durchzuhalten, während sie von ihren Ausbildern gejagt wurden, doch Stryker hatte es geschafft. Die Späher hatten Tage damit zugebracht, in Reihen und mit einer Hundestaffel das Gebüsch und das Sumpfland zu durchkämmen. Sie war im Wald verschwunden und erst wieder an dem Morgen aufgetaucht, an dem die Übung geendet hatte. Sie hatte die Entführung, die Schreie und die Erniedrigungen nahezu problemlos über sich ergehen lassen, aber auch den feuchten Schwitzkasten, während sie simulierten Verhören unterzogen worden war. Mit der Glock 17 und der KK 417 hatte sie hervorragend abgeschnitten, und die Ergebnisse mit dem 40-mm-Granatenwerfer hätten für eine Frau von ihrer Statur nicht besser sein können.
Es war alles versucht worden, um sie unter Stress zu brechen, und es war nicht gelungen. Der Kommentar von einem der Ausbilder hätte Strykers Fähigkeiten nicht treffender zusammenfassen können:
»Sie ist stabil.«
Strykers Laufbahn hätte wie aus dem Lehrbuch verlaufen können – erst mehrere Außendiensteinsätze auf weniger wichtigen und gefährlichen Posten, dann Einsätze in Ländern, die ein hartes Ziel darstellten, gelegentliche Rotation in den Zentralen, schließlich eine Reihe von Positionen als Stationsleiterin, davon eine oder mehrere in Europa oder Asien. Und vielleicht als Letztes, vor der endgültigen Rückkehr nach Hause, ein Einsatz in Peking. Mit Glück und den entsprechenden Fahrkartenbelegen hätte sie zum Führungsteam des NCS ernannt werden oder vielleicht einen leitenden Posten beim Inlandsgeheimdienst erhalten können. Beim Geheimdienst in die höheren Ränge aufzusteigen wäre unvermeidlich gewesen.
Höflich ausgedrückt, empfand Cooke es als ungerecht, dass Strykers Karriere sechs Monate nach ihrem Abschluss implodiert war.
»Mitchells Exfiltrationsplan?« Barron stand an der Tür zu Cookes Büro.
»Strykers Dienstbericht«, antwortete Cooke.
»Sie überlegen, sie Mitchell zu überlassen?«
»Das überlege ich, ja«, bestätigte Cooke.
»Damit bräuchten wir einen Offizier weniger ins Land zu schaffen«, räumte Barron ein. »Und Rhead hätte einen Punkt gemacht. Für beide Seiten ein Gewinn.«
»Damit könnte ich leben«, stimmte Cooke zu. »Stuart hat die Entscheidung uns überlassen, aber auch versprochen, nichts unternehmen zu lassen, um unsere Leute zu retten, wenn sie geschnappt werden.«
»In unseren Gefängnissen sitzen keine chinesischen Agenten, die wir zum Austausch anbieten könnten. Ich vermute, wir könnten Larry Wu-tai Chin exhumieren. Oder Wen Ho Lee wieder verhaften.« Barrons verwittertes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Das wäre kein Druckmittel«, erwiderte Cooke halb im Ernst. »Schon beim ersten Mal konnte er nicht verurteilt werden.«
»Stimmt.« Barron setzte sich auf den Besucherstuhl. Er wirkte müde, was Cooke ihm nachsehen konnte.
Sie schaltete den Bildschirm aus, nahm den letzten Schluck schwarzen Kaffee aus ihrem Becher und starrte hinein. »Was veranlasst einen Menschen, sich gegen sein Land zu stellen?«
»Ist das eine rhetorische Frage?«
»Wenn wir Stryker und Mitchell einem solchen Risiko aussetzen, würde ich gerne glauben, dass wir es für jemanden tun, der es wert ist«, antwortete Cooke.
»Es zeugt von schlechtem Handwerk, zu viel Zeit damit zu verbringen, einen Verräter zu fragen, warum er tut, was er tut«, gab Barron zu bedenken. »Die Engel könnten sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Die Teufel werden nur lügen, was gewöhnlich erträglicher ist, als die Wahrheit zu hören. Ehrlich gesagt, ich möchte nicht die privaten Geheimnisse hinterlistiger Menschen kennenlernen, so seltsam das auch klingt. Lieber nehme ich sie so, wie sie sind. Beurteile sie anhand ihrer Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, nicht anhand ihrer Integrität.«
»Das macht es nicht einfacher, gute Menschen für schlechte aufs Spiel zu setzen.«
»Unsere Leute verletzen jedes Mal, sobald sie den Fuß auf die Straße setzen, das chinesische Gesetz«, stellte Barron klar. »Die Frage ist nur, was sie tun müssen, um Pioneer herauszuholen. Aber ich weiß, wie Sie sich fühlen.«
»Wirklich?«, fragte Cooke, ohne sarkastisch klingen zu wollen.
»Ja.« Barron sog die Luft zwischen den Zähnen ein. »Drei der Sterne auf der Gedenkwand stammen von mir. Der Erste starb in Bagdad. Charlie Lyman. Er war auf dem Weg zu einem Informanten, als er mit seinem Wagen über eine Straßenbombe fuhr. Wir mussten ihn und seinen irakischen
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