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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Thamm
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sollte sie eine ihr unbekannte Macht heraufbeschwören können, die die Waageschale des Schicksals zu ihren Gunsten ausgleichen könnte. Ohne dass sie es bewusst gesteuert hätte, entrann ihrer Kehle ein heller Ton, der in der hohen Kuppel des Audienzsaals widerhallte. Es war kein Schrei, im Gegenteil, es war der erste Ton zu einem Lied, das sie unbewusst anstimmte. Sie wollte nur eins: eine sichere Landung.
    Unverzüglich lösten sich unzählige Fäden aus den schweren, schwarzen Vorhängen um sie herum, vereinten sich in der Mitte des Saals, schräg unterhalb ihres fallenden Körpers, und spannen ein feines Netz. Mina konnte den Vorgang nicht sehen, aber das musste sie auch nicht. Die Schöpfungssängerin in ihr wusste , dass sie es erschuf.
    Da spürte sie auch bereits die Fäden um ihren Körper, die sie auffingen. Wohlbehütet hing sie einen Meter über dem Boden in der Luft und kam sich unweigerlich wie eine Fliege in einem Spinnennetz vor, wobei dieses Spinnennetz ihr Leben gerettet hatte.
    Schwer atmend versuchte sie sich zu beruhigen, dann sammelte sie ihre Gedanken und schwang sich aus dem Netz. Als ihre Füße den schwarzen Marmor des Saals berührten, fiel das Netzgebilde in sich zusammen.
    »Lyonel«, hauchte sie, »wo bist du?« Sie schaute sich um. Zwischen dem Thorn und der zerstörten Eingangstür lagen die übel zugerichteten Körper der Düstersteinkobolde, aber ansonsten konnte sie niemanden sehen. Sie wusste nicht, was hier geschehen war. Ob Medana noch lebte oder wo Nirvan war, das konnte sie nicht sagen. Nirvan! Bei dem Gedanken an den jungen Magier wurde ihr ganz flau im Magen. Wenn er unverletzt war, musste er doch hier sein. Aber hatte sie nicht für einen Moment auch Ignis gesehen? Sie blickte hektisch in alle Richtungen. Die Wutschreie von Cor Keto waren nur noch schwach zu vernehmen, sie hallten aus den Tiefen des Steinbrunnens.
    »Lyonel!« Als sie sich erneut um sich selbst drehte, erschrak sie fast zu Tode. Wie aus dem Nichts tauchte der Junge mit seinen ölig schwarzglänzenden Augen vor ihr auf. Sie schüttelte den Kopf und griff sich an die Brust. »Oh bitte, tue das nie wieder!«
    Ein wenig verlegen schaute er auf den Boden. »‘tschuldige.« Er streckte seine Handfläche aus, und in ihr lag Minas Drachenamulett. Sie erkannte es entsetzt und griff sich instinktiv an den Hals. »Lyonel, du darfst es nicht berühren!«
    Der Junge schaute sie verwundert an, zuckte dann aber mit den Schultern. »Ich wollte es dir nur wiedergeben. Du hast es bei deinem Sturz verloren.«
    »Aber für jeden außer mir ist es gefährlich, wenn man es anfasst!«
    Jetzt zeigte der Junge helle, weiße Zähne, als er vor Freude breit lächelte. »Aber nicht für mich! Ein wenig Drachenmagie kann mir nichts anhaben.«
    Minas Stirn zog sich kraus, dann aber nahm sie das Amulett. Sie war erleichtert. »Sag, Lyonel, kannst du mir helfen? Ich suche einen Freund, er heißt Nirvan. Ich muss ihn finden, bevor Cor Keto zurückkommt.«
    Lyonel blickte sich wortlos um, dann deutete er zu einer der vielen nachtschwarzen Stützsäulen des Saals. Mina folgte seinem Fingerzeig und erstarrte. Dort hinten lagen – kaum sichtbar von ihrer Position aus – zwei verdrehte Körper, die sie vorher nicht beachtet hatte. Eine der beiden Personen trug Nirvans Kleidung. Ihr Herz zog sich zusammen. Schleichend, als würde sich der Anblick bei einer zu schnellen Bewegung verflüchtigen, näherte sie sich der Stelle. Nirvan lag schräg unter der alten Koboldschamanin Medana, in deren Brust gut sichtbar eine Schwertwunde zu sehen war. Eine Blutlache hatte sich über ihren Körper und den Boden um sie herum ausgebreitet. Medana sah merkwürdig aus, denn ihr langer, lumpengleicher Mantel fehlte, und ohne ihn wirkte sie nicht mehr so geheimnisvoll. Sie sah einfach nur wie eine uralte Frau aus, deren grünbraune Haut viel zu groß für sie war. Und ihr Gesicht wirkte, als habe sie als Letztes in ihrem Leben den Teufel selbst gesehen.
    Doch was war mit Nirvan? Mina hatte keine Wahl. Sie packte Medana an einem Arm und zog sie von ihm runter. Das Erste, was sie dabei wahrnahm, war ein leichtes Stöhnen. Sie konnte es nicht glauben! Voller Erleichterung sank sie neben ihn. »Oh, du lebst! Du lebst wirklich!«
    Nirvans Blick flatterte unkontrolliert zu Mina, dann zu dem Jungen hinter ihr und schließlich ins Nirgendwo. Seine Lippen zuckten, aber kein verständliches Wort kam aus seinem Mund. Er musste starke Schmerzen haben. Wahrscheinlich waren

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