Erben der Macht

verständnislos anschauten. Er seufzte. „Es ist etwas kompliziert.“
    Bronwyn lachte gequält. „Seit gut zwei Monaten ist ‚kompliziert’ ein Synonym für mein Leben. Also immer raus damit.“
    Gressyl grinste flüchtig. „Marlandra und Maruyandru waren eure erste Inkarnation als Halbdämonen. Bronwyn und Devlin sind dieselben Seelen in neuen Körpern. Wenn jemand durch ein magisches Portal – sei es ein Tor, wie Warren es benutzt hat oder ein Medium wie der Spiegel – in der Zeit zurückreist und seinem jüngeren Ich begegnet, befindet sich derselbe Körper mit derselben Seele in derselben Zeit, und zwar einmal ein jüngerer, einmal eine älterer.“ Er blickte sie beide bedeutsam an. „Zweimal; das ist der Punkt. Bei euch war es aber nur eine Seele in zwei verschiedenen Körpern. Dieselbe Seele kann aber nicht gleichzeitig in derselben Zeit in zwei verschiedenen Körpern existieren. Durch die Aktivierung des magischen Spiegels wurde auf dieser Ebene die damalige Zeit mit der heutigen verbunden. Da eure Seelen aber schon in der Vergangenheit in Marlandra und Maruyandru existierten, waren sie in dieser Zeit noch gar nicht reinkarniert. Deshalb haben sie durch diese Überlappung aufgehört, in euren heutigen Körpern zu existieren. Fragt mich nicht, warum das so ist; manche Dinge gerade im magischen Bereich, lassen sich nicht mit Logik erklären. Man kann sie nur als gegeben akzeptieren.“
    „Das Problem war“, ergänzte Warren, „dass man diesen magischen Spiegel nicht als Portal benutzen kann, um etwas aus einer anderen Zeit oder von einem anderen Ort durch ihn hierher zu bringen. Deshalb konnten mit dem Tod von Marlandra und Maruyandru in der Vergangenheit eure Seelen nicht wieder aus eigener Kraft in eure heutigen Körper zurückkehren. Hätte ich sie nicht geholt, wäre die Verbindung zwischen euren Körpern und euren Seelen unterbrochen geblieben. Das hättet ihr in dieser Zeit nicht überlebt. Dämonen können zwar ohne Seele existieren, aber Menschen nicht. Da ihr zur Hälfte Menschen seid, wärt ihr ohne eure Seelen gestorben. Also hat Gressyl die Zeit durch den Spiegel lange genug angehalten – eine magische Meisterleistung, Respekt –, dass ich durch ein von mir erschaffenes Zeitportal zu dem Moment in der Vergangenheit gehen konnte, als eure Seelen eure damaligen Körper verlassen haben. Ich habe sie eingefangen und zurückgebracht.“
    Bronwyn blickte ihn dankbar an. „Danke, Warren. Ich weiß nicht, wie wir dir jemals dafür danken können.“
    Er grinste. „Ich bin dein oberster Wächter, schon vergessen? Dich und die Deinen in jeder Weise zu beschützen, ist meine Aufgabe. Und da ich, wie du weißt, meine Nahrung aus dem Dienst für meine Klienten beziehe, die umso gehaltvoller ist, je schwieriger sie ist, war diese Aktion ein Hochgenuss. Also muss ich dir danken. Was ich hiermit tue.“ Er verneigte sich leicht.
    Bronwyn legte Gressyl die Hand auf den Arm. „Vor allem gebührt auch dir Dank, Gressyl.“
    „In der Tat“, stimmte Devlin ihr zu. „Danke.“
    Gressyl zuckte nur mit den Schultern.
    Eine Weile schwiegen sie und hingen ihren Gedanken nach. Devlin legte den Arm um Bronwyn und drückte sie an sich. Streichelte ihren Arm.
    „Immerhin wissen wir jetzt, wie alles begonnen hat und wie alles zusammenhängt“, stellte er fest und schüttelte den Kopf. „Offensichtlich hat der Schamane, den du hast laufen lassen, Marla, später die Hüter der Waage gegründet; auch wenn sie sich damals wohl noch nicht so nannten.“
    Bronwyn nickte. „Nicht nur das. Er ist ebenfalls in der heutigen Zeit wiedergeboren.“ Sie sah Devlin bedeutsam an. „Er sah genauso aus wie Clive McBride, der Hüter, der mich entführen ließ. Er hat heute sogar den gleichen Namen wie damals. Clive bedeutet Klippe. Und eine Klippe ist im weiteren Sinne nichts anderes als ein kleiner Berg. So hieß er damals. Aber die Botschaft, dass die Hüter uns unterstützen sollen, damit wir das Eine Tor schließen können, ist, wie es aussieht, im Laufe der Jahrtausende verloren gegangen. Oder er hat sie von Anfang an nicht vermittelt. Stattdessen wollen jetzt auch die Hüter uns umbringen.“ Sie seufzte.
    Devlin drückte sie enger an sich.
    „Das werden wir Wächter verhindern“, beruhigte Warren sie. „An uns kommt keiner vorbei.“
    Bronwyn lächelte. „Dann haben wir vielleicht doch eine Chance, das Ritual zu überleben.“
    „An uns wird es nicht scheitern“, versicherte Warren.
    „Darüber können