Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
umzubringen würde dir nichts nützen«, sagte Tynan. »Zumal du das sowieso nicht schaffen würdest.«
Sie starrte ihn wütend an. »Auch wenn du meine Gedanken lesen kannst«, fuhr sie ihn an. »Lass es bleiben.«
Ty lächelte grimmig. »Wenn ich das könnte, wäre alles einfacher. Ich habe es schon versucht, aber – keine Chance. Deine Gedanken sind gut abgeschirmt. Dein Gesicht dagegen – das ist wie ein offenes Buch.«
Lautlos verfluchte Lily sich dafür, dass ihr immer alles ins Gesicht geschrieben stand. Wenigstens hatte er nicht ihre Gedanken lesen können, obwohl er das versucht hatte.
»Und wieso glaubst du, dass ich dich nicht töten könnte?«, fragte Lily. »Du hast doch gesehen, zu was ich fähig bin. Vielleicht töte ich gern.«
Er verzog das Gesicht auf eine Art, die ihr deutlich zu verstehen gab, dass das für seine Ohren genauso lächerlich klang wie für ihre.
»Eine schlechte Lügnerin bist du auch noch. Aber egal. Selbst wenn du es schaffen solltest, mich loszuwerden – was dir nicht gelingen wird –, dann hetzt man dir einfach jemand anderen auf den Hals. Wobei dich, wenn ich aus dem Spiel wäre, sowieso die Shades als Erste kriegen würden. Die wollen ihr Geld bekommen. Und dass es dir gelungen ist, sie in die Flucht zu schlagen, wird sie bei der nächsten Begegnung nicht umgänglicher machen.« Er schwieg einen Moment. »Ganz und gar nicht umgänglicher, so, wie ich Damien kenne. Wenn er mit von der Partie ist, muss jemand ganz schön viel Geld hingeblättert haben.«
Voll hilfloser Wut starrte sie zu ihm hinauf. Selbst jetzt, wo ihr Haus in Trümmern lag und ihr wohlbehütetes Geheimnis ans Licht gekommen war, fühlte sie sich immer noch unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Da er ihr so nah war, so dicht über sie gebeugt und voll auf sie konzentriert, konnte Lily sehen, dass es ihm genauso ging. Sie merkte es auch daran, wie sich seine Atmung leicht veränderte und wie seine Augen silbern zu glühen begannen. Ein Teil von ihr wollte sich ihm entgegenwölben, ihn einladen, sie zu berühren, wollte unter dieser Berührung dahinschmelzen, von der sie instinktiv wusste, dass sie noch heißer sein würde als sein Blick.
Rasch schaute sie weg. Das hier war völliger Irrsinn, und damit musste jetzt Schluss sein. Auf der Stelle.
»Ich werde mich jetzt aufsetzen«, sagte sie mit fester Stimme. Sie war vielleicht eher der stille Typ, aber sie stand schon seit langer Zeit auf eigenen Füßen. Sie hatte lernen müssen, sich durchzuboxen, und sie war froh, dass ihr Durchsetzungsvermögen sie auch jetzt nicht im Stich ließ. »Rück mal zur Seite.«
Glücklicherweise fragte er weder warum noch widersprach er. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze zog er sich ein Stück zurück.
Eine Katze … er war eine Katze gewesen …
Lily setzte sich mühsam auf. Sie fühlte sich wie ein leeres Gefäß, dessen Inhalt man soeben ausgegossen hatte. Sie warf Ty, der nicht weit von ihr entfernt am Boden hockte und sie aufmerksam beobachtete, einen Blick zu.
»Ich dachte, Vampire verwandeln sich in Fledermäuse, nicht in große schwarze Katzen«, murmelte sie vorwurfsvoll. Sie hob die Hände, um zu sehen, ob sie sich an dem herumfliegenden Glas geschnitten hatte. Beruhigt, dass alles okay war, machte sie sich an die beschwerliche Aufgabe, aufzustehen, ohne Ty merken zu lassen, wie viel Kraft sie das kostete.
»Nicht alle von uns können sich in etwas anderes verwandeln. Das hängt von der Abstammungslinie ab.« Stirnrunzelnd sah er ihr zu. Und verdammt, jetzt stand er doch wahrhaftig auf und trat auf sie zu, als wolle er ihr helfen. Lily warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der seine Wirkung nicht verfehlte. Ty wich zurück und steckte die Hände in die Taschen seines langen dunklen Mantels.
»Katzen. Rauch. Dies und das. Einige wenige können sich sogar in Löwen und Sumpfluchse und Ähnliches verwandeln, aber die sind fast schon ausgestorben. Und ja, in Fledermäuse. Aber sich in ein Tier zu verwandeln, ist normalerweise … nicht so hoch angesehen.«
»Warum nicht?«
»Erinnert zu sehr an Werwölfe. Und Vampire hassen Werwölfe.«
»Ich … oh.« Das musste sie erst einmal verdauen, deshalb beschloss sie, so zu tun, als hätte sie es gar nicht gehört. Dass es Vampire gab, reichte fürs Erste.
»Und der Mann, der mich töten wollte? Damien, so hast du ihn doch genannt?« Lily schlang schützend die Arme um ihren Körper. Als sie das Gefühl hatte, halbwegs sicher auf ihren Beinen zu stehen, sah sie
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