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Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch

Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch

Titel: Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Leigh Castle
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wirkte so allumfassend und so alt, dass es sie unerwarteterweise tief berührte. Einen Moment lang hatte er ausgesehen wie ein Mann, der schon so lange kämpfte, dass er sich einen anderen Zustand gar nicht mehr vorstellen konnte.
    Bis zu einem gewissen Grad war auch ihr dieser Zustand durchaus vertraut. Noch immer war etwas in ihr erpicht darauf, sich mit ihm zu identifizieren.
    »Wenn du mich anschreien willst, Lily, dann tu das. Aber damit änderst du nicht, was geschehen ist. Wichtig ist, wie es jetzt weitergehen soll. Du hast die Wahl: entweder ich und der Schutz der mächtigsten Vampirdynastie weltweit oder Damien und seine kreativen Methoden, Menschen von ihrem Elend zu erlösen.«
    In seinem Gesicht lag jetzt nur noch Entschlossenheit, die Verletzlichkeit war verschwunden … falls sie sich die nicht sowieso nur eingebildet hatte.
    »Ich möchte, dass du gehst. Ich will meine Ruhe haben. Sag deiner Königin, sie soll sich jemand anderen suchen.«
    »Es gibt niemand anderen«, erwiderte Tynan. »Deine Begabung kommt nur noch äußerst selten vor. Ich habe Monate gebraucht, bis ich eine Seherin gefunden habe: dich. Und wenn ich es nicht gewesen wäre, Lily, dann hätte dich über kurz oder lang jemand anderer aufgespürt.«
    Lily starrte ihn entsetzt an. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Hoffnungslosigkeit gleich endgültig die Oberhand gewinnen würde. » Eine Seherin ? Du glaubst, ich wäre eine Seherin? Und was sollte ich deiner Meinung nach sehen? Die Zukunft? Kann ich leider nicht mit dienen. Was in den Herzen und Köpfen anderer Leute vorgeht? Da muss ich auch passen. Ich kann weder Gedanken lesen noch hellsehen. Und ich glaube, du hast einen richtig großen Fehler gemacht.« Ihre Worte klangen so bitter, wie sie auf ihrer Zunge schmeckten. Doch Tynan schienen sie nicht im Geringsten aus der Fassung zu bringen. Als er ihr antwortete, war seine Stimme leise, aber eindringlich.
    »Vielleicht kannst du es dir nicht vorstellen, Lily, aber du hast die äußeren Merkmale – mehr sogar, als mir bis heute bekannt waren – eines Menschen, der Wesen sehen kann, die zwischen den Lebenden und den Toten gefangen sind. Es geht nicht um Prophezeiungen, sondern um Visionen, und die Fähigkeit dazu dürftest du ebenfalls haben. Das weißt du vielleicht noch nicht, aber man kann dich anleiten.«
    Sie schluckte. »Du behauptest also, ich müsste in der Lage sein, Geister zu sehen?«
    »Geister und andere Wesen. Vampire können einige unglaubliche Dinge vollbringen, aber wir kennen nur das Hier und Jetzt. Arm in Arm mit dem Tod zu wandern, wie wir das tun, scheint uns der Fähigkeit zu berauben, das zu sehen, was jenseits davon liegt.« Sein Ton wurde ein wenig schärfer. »Sei froh, dass ich von jemandem geschickt wurde, dem es wichtig ist, in welchem Zustand ich dich abliefere.«
    Bei seinen Worten bekam sie am ganzen Körper eine Gänsehaut. Sie hatte noch nie einen Geist gesehen – zumindest nicht, soweit ihr das bewusst war. Ihr Albtraum dagegen war etwas, das sehr viel wirklicher war als nur ein immer wiederkehrender schlechter Traum. Das hatte sie immer gewusst, genau wie sie wusste, dass mit ihrer Tätowierung etwas nicht stimmte, die pulsierte und brannte, wenn sie aus dem Albtraum erwachte. Aber dieser Albtraum – oder diese Vision oder was auch immer – hatte ihr noch nie etwas Gutes eingebracht. Er war einfach nur da, ein bedauerlicher Teil von ihr. Dass ihr Leben jetzt deswegen in Gefahr war, fand sie zutiefst ungerecht.
    »Ich kann nichts sehen, was irgendjemandem helfen könnte«, wiederholte sie mit Nachdruck. Mit aller Macht stemmte sie sich gegen die Verzweiflung, die sie zu überwältigen drohte. »Und das hier …«, sie deutete auf das Chaos in ihrem Flur, »… ist das, was deine Königin von mir will? Was hat das mit Visionen zu tun?« Dann zeigte sie auf die Tätowierung, die sie so lange zu verbergen versucht hatte und die jetzt, wo ihr Pullover in Fetzen herabhing, bloß lag. »Du wolltest wissen, wie ich zu ihr gekommen bin und was sie bedeutet, aber nicht mal das weiß ich!«
    Tynan betrachtete ihr Mal mit düsterer Miene. »Ja. Das sollten wir vermutlich als Erstes rausfinden. Dieses Mal ist … ungewöhnlich. Genau wie deine Fähigkeiten.« Er klang nicht gerade glücklich, und seine Ehrlichkeit überraschte sie. Allerdings war auch klar, dass ihre Einwürfe ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen konnten.
    »Vielleicht ist mir das egal«, sagte sie, obwohl ihr die Lüge nicht ganz leicht

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