Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
jetzt kniff – wie er eigentlich sollte –, dann würde ihn die Vorstellung ewig verfolgen, wie sich Lyras goldene, lebendige Augen für immer schlossen.
Meine Güte, er hatte wirklich den Verstand verloren.
»Ich erzähle dir das, weil ich verzweifelt bin, was sonst?«, sagte Dorien und gab ein kurzes, unfrohes Kichern von sich. »Du hattest immerhin so viel Interesse an Lyras Wohlergehen, dass du ihr die Kette zurückgebracht hast … die Kette meiner verstorbenen Frau. Vielleicht ist dein Interesse groß genug, dass du dir meinen Vorschlag anhörst. Für einen Vamp scheinst du ziemlich aus der Art geschlagen zu sein. Und – offen gestanden – habe ich nichts zu verlieren.«
»Außer Ihrer Tochter«, erwiderte Jaden.
Doriens Gesichtsausdruck wurde grimmig. »Wenn ich nichts tue, verliere ich sie, so oder so. Auf irgendetwas muss ich also vertrauen. Zumindest habe ich dann alles getan, was in meiner Macht steht.«
So ungern Jaden das auch tat – er musste Dorien recht geben. Seine Chance, am Leben zu bleiben, war äußerst gering gewesen, und dennoch stand er jetzt hier … weil er und seine Freunde ein großes Risiko eingegangen waren und sich gegen eine ganze Dynastie aufgelehnt hatten.
Dass er irgendeine Gemeinsamkeit mit einem Wesen hatte, das er normalerweise als wertlose, gewalttätige Bestie abgetan hätte, war ihm nicht gerade angenehm – um es vorsichtig auszudrücken.
»Jetzt sagen Sie schon, in was ich hier reingestolpert bin«, erwiderte Jaden. »Ich habe keine Ahnung, wie ich Ihnen helfen könnte, aber Sie haben offensichtlich schon eine ganz genaue Vorstellung.«
Dorien sah ihn durchdringend an. »Die habe ich. Sie kam mir, als du mit Simons … Willkommensgruß fertigwerden musstest. Du hast kurzen Prozess mit ihm gemacht, und das, obwohl er ein großartiger Kämpfer ist.«
»Er ist jung.« Jaden zuckte mit den Schultern. »Er hat sich von seiner Wut hinreißen lassen. Das wird er schon noch lernen. Hoffe ich.«
»Du bist die ganze Zeit um ihn herumgetänzelt. Ich bin kein Experte für Vampirkämpfe, aber du bist ein beeindruckender Kämpfer, Junge – auch wenn ich nicht mal auf meinem Totenbett zugeben würde, das je gesagt zu haben. Ich konnte noch nie beobachten, wie ein Vampir kämpft. Meistens war ich zu sehr damit beschäftigt, ihn oder sie einen Kopf kürzer zu machen. Jedenfalls hatte ich erwartet, dass du ein paar fiese Tricks anwenden würdest. Aber das brauchtest du gar nicht.« Er schwieg einen Moment. »Das spricht vermutlich nicht unbedingt für Simon.«
Verblüfft zog Jaden eine Augenbraue hoch. Er war schon lange nicht mehr »Junge« genannt worden, noch dazu von jemandem, der fast zweihundert Jahre jünger war als er selbst. Aber das Kompliment tat ihm gut, auch wenn ihm klar war, dass ihm da gerade Honig ums Maul geschmiert wurde. Komisch – Dorien sah eher wie ein Preisboxer aus, Verhandlungsgeschick hätte man ihm nicht unbedingt zugetraut. Aber der Anschein täuschte offensichtlich.
Jaden konnte nicht anders, er musste höflich antworten.
»Wie ich schon sagte, er ist noch jung. Ich hatte ein paar Jahre Zeit, an meiner Technik zu feilen. Aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt –«
»Du sollst ihr beibringen, so zu kämpfen wie du. Ich zahle dir so viel du willst.«
Jaden starrte ihn verblüfft an. Er war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. »Das soll ich ihr beibringen?«
Dorien blickte vertrauensvoll drein. »Lyra hat eher deinen Körperbau … nicht, dass du wie eine Frau aussiehst, aber größenmäßig entspricht sich das eher. Sie ist stark, außerdem schneller als die meisten männlichen Wölfe im Rudel. Und beweglich ist sie auch. Ich kann ihr nicht helfen. Du schon.«
Es war ewig her, dass Jaden sich zuletzt derart überrumpelt gefühlt hatte. Er dachte, Dorien würde ihn bitten, Lyra irgendwie zu beschützen. Aber das hier – darauf war er überhaupt nicht gefasst gewesen. Vermutlich, weil es völlig irrsinnig war. »Ich wüsste nicht, wie das gehen sollte. Mal abgesehen davon, dass ich noch nie jemanden unterrichtet habe, gehören Lyra und ich ja auch nicht gerade zur selben Spezies.«
Dorien machte eine wegwerfende Handbewegung. »Okay, sie ist kein Vampir. Aber Wölfe sind Kämpfer. Sie ist klug, sie lernt schnell. Willst du mir etwa weismachen, du hättest dich gleich von dem Moment an, als du deine Tätowierung bekommen hast, so bewegen können? Dass du jeden x-beliebigen Wolf in weniger als fünf Minuten erledigen konntest,
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