Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
Holzplatten verkleidet, im Raum standen ein Billardtisch und ein altmodischer Fernsehapparat. Vor den kleinen Fenstern hingen dicke Stoffvorhänge, um das Licht auszusperren. Ein Blick nach unten verriet ihm, dass er auf einem alten, braun-karierten, bequem gefederten Sofa geschlafen hatte, das jemand mit Laken, Decken und Kopfkissen ausgestattet hatte.
In seinem langen Leben war Jaden an so vielen merkwürdigen Orten wach geworden, dass es ihm gar nicht in den Sinn kam, panisch zu reagieren. Stattdessen holte er tief Luft, schloss die Augen und brachte Ordnung in seine Gedanken, was er immer nötig hatte, wenn er bei Sonnenuntergang aufwachte. In der selbst gewählten Dunkelheit sah er Lyra vor sich, wie sie aus ihren golden glänzenden Augen zu ihm aufsah, während er sie in Armen hielt.
Dann fiel es ihm ein.
»Scheiße«, stöhnte er, zog die Knie an die Brust und raufte sich die Haare. Ringsum stieg ihr Duft auf, warm und würzig und unverkennbar Lyra. Das ganze Haus war darin getränkt. Und er würde noch einige Wochen hier wohnen, in ihrem Duft schwelgen und sich selbst in den Wahnsinn treiben.
Na großartig.
Letzte Nacht schien ihm das alles eine tolle Idee gewesen zu sein. Erstaunlich, wie ein wenig Schlaf doch die Perspektive verschieben konnte. Dennoch, im Moment steckte er mittendrin. Bis zum Hals.
Leise stöhnend schwang Jaden die Füße auf den Boden und gähnte. Er schob die Decken beiseite, stand auf, streckte sich, atmete tief durch und genoss es, wie seine Lebensgeister erwachten. Die kühle Luft im Keller wirbelte um seinen nackten Rumpf und um seine Beine, die ebenfalls unbekleidet waren, abgesehen von tief sitzenden Boxershorts.
Er erinnerte sich, dass Dorien ihm hier unten ein Badezimmer mit Dusche gezeigt hatte. Sich eine Weile Wasser übers Haupt laufen zu lassen, war eine verlockende Vorstellung. Jaden blickte sich um. Irgendwo musste seine Reisetasche sein, die er stets gepackt bei sich trug für den Fall, dass er unerwartet längere Zeit irgendwo bleiben musste.
Ihre leise, heißblütige Stimme ließ ihn innehalten.
»Hallo, ich habe dir einige … oh, tut mir leid.«
Jaden drehte sich um. Lyra stand auf der Treppe, drei Stufen über dem Boden, und glotzte ihn aus weit aufgerissenen Augen und wie zur Salzsäule erstarrt an. Von ihrer Hand baumelte ein Körbchen mit Toilettenartikeln. Sie hob es, beinahe entschuldigend, hoch.
»… Dinge gebracht. Zum Waschen und so. Ist für dich. Du bist nicht angezogen. Ja, ich geh dann mal wieder.«
Jaden fand es lustig, dass die sonst scheinbar so unbeeindruckbare Lyra Black allein dadurch aus der Fassung zu bringen war, dass man sich bis auf die Unterwäsche auszog. Sie drehte sich um und wollte flüchten, aber er hatte keinerlei Absicht, sie so einfach fortzulassen. Die Gelegenheit, sie ein bisschen zu quälen, konnte er nicht ungenutzt verstreichen lassen.
»Nein, lauf nicht weg. Das da kann ich gut gebrauchen«, sagte er, marschierte stracks auf sie zu und streckte die Hand aus. Ihre Wangen liefen dunkelrot an, aber ihm entging nicht, dass sie ihn rasch von oben bis unten musterte, ehe sie den Kopf zur Wand drehte. Sie begehrte ihn. Endgültig sicher war er sich letzte Nacht gewesen, als sie in seine Arme gesunken war. Beziehungsweise sich hatte sinken lassen. Er hatte den kurzen Moment gespürt, als sie innerlich losgelassen und ihr Körper auf seinen reagiert hatte. Und wenn es noch weiterer Beweise bedurft hätte, wäre die Art und Weise, wie sie aus der Küche abgezischt war, mehr als genug gewesen.
Normalerweise hätte ihm dieses Wissen genügt, um sie anzubaggern. Er mochte ja etwas eingerostet sein, aber er war überzeugt, dass er die meisten Frauen ohne größere Probleme verführen könnte. Bei Lyra war die Sache jedoch ein wenig heikler. Was sie war … was sie werden wollte … und erst der Umstand, dass ihr Vater ihn mit größtem Vergnügen in seine Einzelteile zerlegen würde, sollte er es wagen, sie auch nur anzufassen.
Er wusste, die Beziehung rein platonisch zu belassen, wäre vernünftiger. Aber das hieß ja nicht, dass er sich nicht ein paar einfache Freuden gönnen durfte … wie etwa ihre Reaktion, als sie ihn fast unbekleidet sah.
Jaden hob das Körbchen am Henkel hoch und prüfte neugierig den Inhalt. Da war jemand einkaufen gegangen – alles, einschließlich des Körbchens, war neu. Er blickte zu ihr hoch, obwohl sie immer noch krampfhaft woanders hinsah.
»Du hast mir Zahnseide mitgebracht.«
Jetzt schaute
Weitere Kostenlose Bücher