Erbin des Gluecks
würde. Das Leben wäre dann so viel schöner, aber richtig glauben konnte sie nicht daran.
Immerhin hatte es den Anschein, dass Carina ihr wegen des Testaments nichts mehr nachtrug. Wer Macht besaß, musste auch die Last der Verantwortung und hohe Risiken tragen. Beides war nichts für Carina. Sie sah sich nach eigenem Eingeständnis als hundertprozentiges Partygirl, als bunter Schmetterling, der das Leben genießen und sich vergnügen wollte. Nur das Problem Bryn blieb ungelöst.
Als Carina am Tag zuvor ins Büro gekommen war, hatte sie irgendeine Absicht verfolgt. Was steckte hinter den wiederholten Beteuerungen, nur in Francescas Interesse zu handeln? Carina hatte immer nur an sich selbst gedacht. Den schrecklichen Unfall, bei dem Francesca beinahe ertrunken wäre, hatte sie verdrängt. Als Bryn, wie durch ein Wunder, aufgetaucht war, hatte sie geschrien und geschrien, als wäre alles nicht ihre Absicht gewesen …
Noch heute, nach so vielen Jahren, schreckte Francesca vor dem Gedanken zurück, dass es kein Unfall gewesen war. Nur manchmal – meist im Traum – wurde der schreckliche Tag wieder lebendig.
Sie gingen Hand in Hand am Ufer der Lagune entlang. Francesca freute sich an den Wasserlilien. Sie stieß Rufe des Entzückens aus und schwor, dass sie die Blumen zu Hause malen würde. Carina hasste es, dass ihre Cousine immer alles gleich skizzieren musste.
Francesca spürte die Angst vor dem dunklen Wasser, in das Carina hineinwatete. Es bedeutete, dass sie ihr folgen musste. Eine Ahnung höchster Gefahr erfasste sie … dann wachte sie auf.
Was war damals wirklich geschehen? Würde sie die Antwort eines Tages finden, oder war sie dazu verurteilt, diesen Albtraum nie wieder loszuwerden? Zu spüren, wie ihr die Luft wegblieb, wie sie sich an Bryns Hals klammerte, während er sie ans Ufer trug, selbst erst dreizehn Jahre alt und doch schon so stark? Sie musste ihn fast erwürgt haben. Später hatte er jedoch beteuert, sie sei so leicht gewesen wie eine Feder.
Sie erinnerte sich an die Algen in seinem Haar. Geweint hatte sie nicht. Sie wollte tapfer sein. Hatte sie Bryn nicht etwas ins Ohr geflüstert? Wenn ja, war es bis heute ein Geheimnis geblieben. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern.
Etwas Übersinnliches war am Wirken gewesen und hatte Bryn zu ihrer Rettung geschickt – nur das blieb ihr im Gedächtnis. Francesca glaubte an solche spirituellen Dinge, genau wie die Eingeborenen. Sie wandelten über die Erde, um den Auserwählten beizustehen. Meist blieben sie unbemerkt. Man musste an sie glauben, um ihre Anteilnahme zu wecken. Sogar Bryn mit seinem klaren Verstand zweifelte nicht an ihrer Existenz und Macht.
Francesca hätte längst hinuntergehen müssen, aber die düsteren Gedanken ließen sie nicht los. Sie griff nach den beiden Silberreifen, die sie bereitgelegt hatte, und streifte sie über ihr rechtes Handgelenk. Sie passten zu dem Abendkleid, das Adele Bennett für sie ausgesucht hatte. Es reichte ihr bis zu den Knöcheln und war aus bläulich schimmerndem Seidenchiffon gearbeitet. Das Gewand einer Wassernixe, dachte sie und lächelte selbstvergessen.
Viel hing von Bryn ab und noch viel mehr von ihr selbst. Beinahe hätte sie sich ihm an diesem Nachmittag hingegeben, und zu ihrem Glück hatte er ihre Weigerung akzeptiert. Ein zweites Mal durfte sie nicht mit einem solchen Verständnis rechnen. Seine Leidenschaft zu entfachen und ihn dann zurückzuweisen war ein gefährliches Spiel, und sie wollte keine neuen Zwistigkeiten. Die Liebe musste man ernst nehmen. Sie allein zählte im Leben.
Natürlich hatte Bryn sie bei dem Wettschwimmen gewinnen lassen. Das war ihm sicher nicht leichtgefallen, und jetzt musste er auch noch für das Essen sorgen. Dass sie nicht gut kochen könne, hatte sie nur vorgegeben. Sie hatte während ihres Studiums mehrere Kurse besucht und war stolz, selbst komplizierte Gerichte mit leichter Hand zaubern zu können. Vielleicht war Bryn auf ihre Hilfe angewiesen, dann würde sie ihr Talent unter Beweis stellen.
Bryn hatte eine Vorliebe für Barbecues. Eigenartig, dass Männer immer dann in Aktion traten, wenn nur etwas gebraten werden musste …
„Was für ein bezauberndes Kleid.“ Bryn betrachtete Francesca mit leuchtenden Augen. „Sehr romantisch.“
„Danke.“ Sie machte einen tiefen Knicks. „Ich freue mich, dass es dir gefällt.“
„Das zarte Veilchenblau spiegelt sich in deinen Augen. Es überrascht mich immer wieder.“
„Was?“ Francesca
Weitere Kostenlose Bücher