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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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einem Picknickkorb heben, trugen sie ihn auf dem Arm. Kaum hatten sie das Gewühl hinter sich gelassen, wurde das Schweigen zwischen ihnen unerträglich. Madeleine entschloss sich, nicht lange um den heißen Brei herumzureden.
    »Was ist los, warum führt ihr euch so sonderbar auf?«
    Elizabeth zögerte zunächst, doch dann hakte sie sich bei Madeleine unter und sagte leise: »Neville erblindet, Madeleine.«
    Madeleine blieb wie angewurzelt stehen. »Was?«
    »Er wird blind. Man kann nichts dagegen tun. Er weiß es schon seit geraumer Zeit. Mit dem Malen … ist es aus und vorbei.«
    »Mein Gott, nein!« Madeleine rang nach Luft. »Ausgerechnet blind.«
    »Ja, blind.«
    »Was hat er? Um welche Art von Erblindung handelt es sich?«
    »Retinitis pigmentosa. Hast du schon mal davon gehört?«
    Madeleine nickte ungeduldig. »Und wie lange geht das schon?«
    Der kleine Terrier zerrte an seiner Leine, und sie folgten ihm auf die offenen Wiesen hinaus. »Ein paar Jahre.«
    Madeleine war erschüttert. Der arme, bedauernswerte Neville. Welch schreckliches Schicksal für einen Maler. Daher die Keramik, die schlechte Stimmung, das Herumkommandieren Elizabeths. Kein Wunder, dass er schlecht gelaunt war.
    Als Madeleines Blick auf ihre Stiefmutter fiel, tat ihr Elizabeth plötzlich mehr leid als ihr Vater. Sein Leben war großartig gewesen. Dass es ihn im Alter erwischte, war unvermeidlich. Niemand blieb verschont. Ein Weiser hätte seine Erblindung als Gelegenheit begriffen, nach innen zu schauen, besonders wenn er wie Neville ein Augenmensch gewesen war. Aber solche Weisheit gab es selten. Sie hatte sie bei einigen Patienten angetroffen, alten Menschen, die wussten, dass das Ende nahe war, und die ihr Bewusstsein durch die Therapie erweitern und vertiefen wollten. Dafür war Neville jedoch nicht der Typ. Er würde sich bis zum Tod jede Minute über seine Behinderung ärgern.
    Sie legte den Arm um Elizabeths Schultern. »Es tut mir so sehr leid. Nun ist mir alles klar.«
    »Er hat mir verboten, es zu verraten, aber wie du miterlebt hast, ist es schwer für uns beide. Ich selbst habe keine Lust, so zu tun als ob. Er ist sehr … ermüdend.«
    Madeleine sah sie an. Ermüdend? Das Wort hätte Elizabeth früher nie benutzt, um Neville zu beschreiben. Immer hatte sie sich zurückgehalten, wenn es um eheliche Dinge ging, da mochte ihre Beziehung zu Madeleine im Laufe der Jahre noch so freundschaftlich geworden sein. Und das war auch richtig so. Schließlich war Neville Madeleines Vater.
    »Wenn er es nur einfach akzeptieren könnte«, meinte Elizabeth gedankenverloren. »Gegen eine solche Krankheit kann man nicht ankämpfen.«
    »O Gott, Elizabeth. Wie bald, glaubst du …?«
    »Es verläuft schleichend. Seine periphere Sicht ist fast verschwunden. Er sagt, er sieht alles nur noch wie durch einen Strohhalm.«
    »Ausgerechnet diese Krankheit«, sagte Madeleine entsetzt. Rosarias zittrige Stimme klang ihr im Ohr: »Dein Papa kann nicht sehen, Magdalena. Ich sehe durch seine Augen und kann nichts sehen.«
    »Wie kommst du damit klar, Liz?«
    Elizabeth sah Madeleine in die Augen. »Was empfindest du dabei?«, fragte sie zurück.
    Madeleine war überrascht. »Ich finde es natürlich schrecklich. Wenn ich irgendwie helfen kann …« Es klang schwach, unangemessen.
    Elizabeth antwortete nicht. Madeleine musterte sie von der Seite. Ihre Stiefmutter hatte immer jung und verschmitzt ausgesehen mit ihrer Stupsnase, ihrem rosigen Teint und dem langen, goldenen Haar, das sie in einem dicken Zopf auf dem Rücken trug. Sie war noch immer schön und eine starke, intelligente Persönlichkeit. Als Stiefmutter war sie sehr einfühlsam. Hoffentlich würden sie einander helfen können. Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, sie einzuweihen. Ja, sie war es Elizabeth schuldig, ihr den Grund ihres Besuchs mitzuteilen. Madeleine legte ihr die Hand auf die Schulter und schüttelte sie leicht.
    »Liz, hör zu. Falls du dich fragst, was ich mit Neville besprochen habe … deine Meinung wäre mir wirklich wichtig …«
    »Ich sage es dir am besten gleich«, fiel ihr Elizabeth jäh ins Wort. Sie sprach laut, beinahe heftig. »Das klingt jetzt nach einem schrecklichen Treubruch, aber … ich werde deinen Vater verlassen.« Sie hob die Hand, um jeden Ausruf der Überraschung oder des Protestes im Keim zu ersticken. »Die vergangenen Jahre haben mich fertiggemacht. Er ist ausgesprochen schwierig geworden, Madeleine. Und nichts wird sich daran ändern. Ich bin nicht

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