Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
unterbrach ihr Paffen. Sie war gewitzt, und trotz der beruhigenden Medikamente, die sie nehmen musste, reagierte sie sehr schnell.
»Welche Brosche?«
»Die Brosche, die du aus meiner Tasche genommen hast.«
Rosaria zog wieder an ihrer Zigarre und blies Rauchwolken in die Luft. »Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank, chiquitilla?«, erwiderte sie leise lachend.
Madeleine lehnte sich vor. »Das ist nicht lustig, Mama. Machst du Dinge, die du nicht tun solltest … oder hast du Pedrote gebeten, dir zu helfen? Nun sag schon, Mama!«
Rosaria warf ihr einen wütenden Blick zu. »Ich brauche Pedrote nicht mehr.«
Das hatte ich befürchtet, dachte Madeleine mit einem Schaudern. Mamas Wissen um die Geheimnisse der Santeria, ihre latenten übersinnlichen Fähigkeiten und ihre Geisteskrankheit ergaben eine gefährliche Mischung. Mama konnte für eine Menge Leute zur Gefahr werden. Aber es gab niemanden, dem Madeleine sich hätte anvertrauen können. Keiner würde ihr Glauben schenken, Neville eventuell ausgenommen, denn Rosarias übersinnliche Kräfte hatten ihn sehr fasziniert.
»Mama«, begann Madeleine streng. »Erinnerst du dich, wie du mich vor vielen Jahren die Santeria gelehrt hast? Du hast mir eingeschärft, nur die Voodoo-Leute, nicht aber die echten Gläubigen der Santeria würden Menschen verzaubern und krank machen.«
»Correcto, mi nina.«
»Babalú Ayé hätte keinen Gefallen an dem, was du tust. Du missbrauchst die Kräfte, die er dir verliehen hat. Er wird dich mit einer schrecklichen Krankheit strafen.«
Rosaria hielt die Augen geschlossen. »Er leitet mich«, konterte sie schlau.
»Erinnerst du dich denn nicht mehr daran, dass ich beinahe am mal de ojo gestorben wäre? So etwas würdest du doch keinem Menschen antun wollen … oder, Mama?«
»Ich muss meine Kinder beschützen, Magdalena. Ich werde meine Kräfte einsetzen und jeden treffen, der ihnen ein Leid antun will … oder der sie mir nehmen will.« Sie zuckte mit den Schultern und musterte die Zigarre in ihrer Hand. Dann warf sie ihrer Tochter einen durchdringenden Blick zu. »Das würde jede Mutter tun. Nicht wahr, Magdalena?«
Herr im Himmel! Madeleine fischte die Flasche aus ihrer Tasche und genehmigte sich einen kräftigen Schluck. Es war ihr egal, was die Leute dachten.
»Deine Kinder? Wie viele Kinder hast du denn, Mama?«
»Zwei, Magdalena. Aber das weißt du doch. Ich habe zwei Kinder.«
Madeleine starrte sie an.
Rosaria sprang jäh auf und warf die Zigarre ins Gras. »Das zweite Kind«, schrie sie und sah Madeleine wie wahnsinnig an. »Du böses Mädchen. Was hast du mit dem zweiten Kind gemacht? Was ist aus ihm geworden?«
***
»Aber Madeleine, ich hatte Sie doch darauf hingewiesen, dass Ihre Idee nicht gut ist«, meinte Regis Forbush und tätschelte ihr unbeholten die Schulter. »Versuchen Sie, sich zusammenzureißen …« Er zog einen Packen Papiertücher aus der Schachtel auf dem Tisch und schob ihn ihr zu. »Nun kommen Sie schon, Sie waren schließlich diejenige, die diese Begegnung gewollt hat. Sie haben den Entschluss dazu gefasst … Hören Sie, ich hole Karen. Sie ist sicherlich hier im Gebäude.«
Er konnte es kaum erwarten, das Zimmer zu verlassen. Seine braune Strickjacke flatterte hinter ihm her, als er ging. Die Tür fiel ein wenig zu heftig ins Schloss. Madeleine tupfte sich die Augen ab und wünschte sich, sie hätte kein Make-up aufgelegt. Wen wollte sie beeindrucken? Mikaela?
Es wäre besser gewesen, wenn sie zu spät statt zu früh gekommen wäre. Hier wartend herumzusitzen, war unerträglich. Anscheinend hatten die Adoptiveltern ihrer Tochter Verständnis für ihre Bitte gehabt. Sie wären nicht verpflichtet gewesen, einer Begegnung zuzustimmen. Madeleine hatte Mikaela ein letztes Mal sehen wollen, aber jetzt, da sich der endgültige Abschied näherte, war sie wie gelähmt angesichts der Endgültigkeit der Entscheidung, zu der man sie gezwungen hatte. Sie hatte sich nach Kräften bemüht, die Adoptionsstelle davon zu überzeugen, dass sie Mikaela eine gute Mutter sein würde. Doch an wen sie sich auch wandte, niemand hatte sie unterstützt, und Neville hatte sich aus der Sache herausgehalten (was sie ihm, wie sie sich schwor, nie verzeihen würde).
Um die Lage für sich erträglicher zu machen, hatte sie sich eingeredet, dass es nach wie vor Spielraum gebe und das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Mit Sicherheit würde ihr jemand zu Hilfe eilen, eine Lösung finden. Das Ganze war ihr so
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