Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Arm. »Nun mach schon, Madeleine. Sei nicht stur.«
Sie blickte noch einmal über die Bar hinweg. Zwei Männer sahen herüber. Einer hob die Hand und winkte ihr zu. Verdammt! Männliche Gesellschaft war genau das, was sie brauchte. Was hatte sie schon groß zu verlieren? Sie glitt von ihrem Barhocker.
»Du siehst wunderbar aus in diesen Jeans«, flüsterte Gordon ihr ins Ohr, als er sie am Arm durch die Menge führte. »Deshalb verzeihe ich dir.«
»Verzeihe dir was?«, schrie sie, um den Lärm zu übertönen. »Gott, bist du ein arroganter Bengel!«
Er lachte. »Und du kannst vielleicht gemein sein … das ist wohl dein kubanisches Blut. Gegen meinen Willen finde ich es ganz schön aufregend. Aber tu es ja nicht wieder. Ich war zu Tode erschrocken.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an. Ich habe ihm den Laufpass gegeben, dachte sie. Was war denn daran so gemein?
Wegen des Regens gingen sie nur bis zur Bar nebenan. Jeff, der Geologe, war Mitte fünfzig, sehr witzig und ziemlich dick mit einem verräterisch geröteten Gesicht. Peter, wie Gordon Archäologe, war ein Hüne und strotzte vor Fitness und Gesundheit. Mit seinem feinen Humor und seinen altmodisch guten Manieren hätte er das Herz jeder Mutter gewonnen, die eine Tochter verheiraten wollte. Schon bald erfuhr Madeleine, dass beide zu dem Team gehörten, das die Ausgrabungen am Southgate vornahm, wo der neue Busbahnhof gebaut werden sollte. Obwohl sie schon reichlich getrunken hatte, war sie fasziniert und wollte alles über das Projekt von ihnen erfahren. Sie feierten gerade einen neuen Fund. Arbeiter, die ein privates Schwimmbad im Souterrain eines Hauses aus dem 18. Jahrhundert in der Rednor Street ausheben wollten, waren auf einen römischen Bogen gestoßen. Man hatte Gordon gerufen, und der stellte fest, dass sich sechs Meter unter Straßenniveau die Reste eines römischen Gebäudes befanden.
»Hast du da Zugang?«, fragte Madeleine bettelnd. »Ich würde alles geben, um die Stelle zu besichtigen.«
»Alles?«, fragte Jeff mit einem Grinsen. »Ich kümmere mich darum.«
Eine Stunde später, als das Wetter endlich aufklarte, torkelten sie auf der Suche nach einer weiteren Bar durch die engen Gassen oberhalb von Cheap Street. Madeleine, leichtsinnig gestimmt, genoss die Aufmerksamkeiten der drei Männer. Sie kicherte heftig über Jeffs blöde Witze und erbat sich eine seiner Zigarren. Unter einem Bogen blieben sie alle vier stehen, und die drei Männer versuchten nacheinander, die Zigarre für Madeleine anzuzünden.
»Sie ist viel zu trocken«, erklärte sie.
»Was verstehst du denn von Zigarren, Weib?«, dröhnte Jeff. »Du lutschst nicht richtig. Du musst noch üben.«
»Hüte deine Zunge gegenüber der Dame«, warnte Peter ihn. »Du benimmst dich ganz schön daneben.«
»Mit Zigarren kenne ich mich mit Sicherheit besser aus als du, Jeff«, lachte Madeleine, die viel zu angeheitert war, um beleidigt zu sein. »Heute Nachmittag habe ich gerade ein Meisterwerk aus Havanna geraucht. Ich habe schon in der Wiege erlebt, wie meine Eltern Zigarren rauchten.«
»Sogar deine Mutter?«, fragte Peter mit emporgezogener Augenbraue.
»Da kannst du aber Gift drauf nehmen. Ich wurde in einer Stadt geboren, wo man an jeder Straßenecke Zigarren rollt. Ich kann das sogar selbst, wenn es sein muss. Ein alter Kubaner hat es mir beigebracht. Sein Name war José Manuel. Ein Hai hatte ihm das Bein abgebissen.«
»Meine Zigarre kannst du jeden Tag rollen«, meinte Jeff, als sie weiterwankten. Er streichelte verstohlen ihren Rücken, wohl um festzustellen, ob sie einen BH trug.
»Wo ist es?«, fragte Peter. »Dieses Zigarrenparadies? Erzähle uns mehr davon.«
»Eine Tropeninsel«, sagte Madeleine verträumt, »wo sich die Palmen im Wind wiegen, die Jakaranden ihre Blüten in den Swimmingpool fallen lassen und in zwei Ozeanen regenbogenfarbene Fische schwimmen. Wo man den ganzen Tag auf einer Veranda Rum trinkt und mit Bambusfächern …«
»Mein liebes Mädchen«, lachte Peter. »Was zum Teufel machst du dann hier?«
The Volunteer Rifleman’s Arms war geschlossen. Sie hatten gerade die Biegung der alten Bond Street hinter sich gebracht und gingen in die Richtung eines neuen Pub in der George Street, als Jeffs Handy respektlos die Nationalhymne anstimmte. »Ach, das ist meine Frau«, seufzte er enttäuscht.
Nach einem einseitigen Gespräch, bei dem sich sein Beitrag auf »Ja … Tut mir leid … Ja …« beschränkte, trollte er sich in Richtung Heimat. Kaum hatte
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