Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
wie eine riesige Flutwelle.
»Sascha«, brüllte Anton. »Dreh den Fernseher leiser. Deine Mama und ich sprechen miteinander. Wir streiten uns nicht mehr. Nur sprechen, Sascha. Los, hinge!«
Sie sahen sich stumm an, dann befreite sich Rachel und rannte ins Wohnzimmer. Sascha saß auf dem Sofa und hielt die Augen fest geschlossen, laut singend, die Hände gegen die Ohren gepresst. Sie stellte den Fernseher ab.
»Alles ist in Ordnung, Sascha, Liebling«, beruhigte sie ihn, kniete sich vor ihn hin und nahm ihn in die Arme. »Wir streiten uns nicht. Erinnerst du dich nicht, dass Papa versprochen hat, er streitet nicht mehr? Er meint es ernst – nicht wahr, Anton?«, rief sie.
Anton kam zu ihnen und setzte sich auf das Sofa. Nach einigen Minuten Stille sagte er: »Sascha, du gehst jetzt ins Bett, ja? Du warst den ganzen Tag draußen. Du musst sehr müde sein.«
Rachel starrte ihn wütend an. »Er hat noch nichts zu essen gehabt.«
Sascha rappelte sich auf. »Ich habe keinen Hunger«, schrie er und rannte aus dem Wohnzimmer, die Treppe hinauf, in sein Zimmer. Die Tür knallte.
»Und du bildest dir ein, dem Jungen ein treu sorgender Vater zu sein, was?«, zischte Rachel und entfernte sich in Richtung Treppe. »Er macht sich die Hosen voll aus lauter Angst vor dir!«
»Wo ist der Scheißpass?« Anton stand auf und folgte ihr. »Komm her, Rachel. Bleib bei mir, wenn ich mit dir rede.« Er packte sie am Handgelenk, zog sie zurück und stieß sie auf die Couch. Er stand über ihr und hielt ihre Schenkel mit seinen Knien umklammert. »Nun sprich leise und sag mir, wer diese Madelina ist. Uris blöde Schlampe hat den Pass abgeschickt und dann die Adresse weggeworfen. Das war wohl deine Idee. Wenn ich wegfahre, rufst du die Frau an. Sie muss den Pass bringen, oder wir holen ihn bei ihr ab, mit dem Auto. Sascha kommt mit. Wenn du ihn nicht anderswo versteckt hast. Kapiert, Rachel?«
»Was habt ihr mit dem Mädchen gemacht, du und dein Ungeheuer von Bruder?«
»Da mach dir mal keine Sorgen.«
Sie starrte ihn wütend an. »Sie lebt also noch?«
Anton lachte grausam. »Uri ist doch nicht bekloppt. Das Mädchen schafft ein Vermögen für ihn ran. Sie schuftet verdammt hart, um für den Ärger zu bezahlen.«
»Der Himmel sei ihr gnädig«, entfuhr es Rachel. Bei der Vorstellung, was die arme junge Frau alles aushalten musste, drehte sich ihr der Magen um. »Und wer hat den Hund umgebracht?«
Anton presste seine Knie noch fester an ihre Schenkel. Sie zuckte vor Schmerz zusammen. »Ich kaufe dem Kind einen ganzen verdammten Zoo, wenn wir ankommen. Wo ist der Pass?«
»In Ordnung, Anton, ich verrate es dir.« Sie machte sich daran, ihm die beste der vielen Geschichten, die sie sich zurechtgelegt hatte, aufzutischen. »Madelina ist eine Freundin von mir. Sie ist ausgenippt, als sie den Pass in der Post fand. Sie war stinksauer. Ich musste den Pass abholen und darf mich nie wieder bei ihr blicken lassen. Sie will nichts mit der Sache zu tun haben. Mit Kerlen, wie du einer bist, kennt sie sich aus. Sie hat selbst so einen – ein richtiger Schuft, gleiche Gewichtsklasse wie du und dein Bruder. Ich bin sofort in den Park nebenan gegangen und habe den verdammten Pass in einem Papierkorb verbrannt. Ich kann dir zeigen in welchem, wenn du willst. Keine zwei Minuten von hier.«
Antons Knie pressten ihre Schenkel noch fester zusammen, und er packte eine Faust voll von ihrem Haar. »Rachel, das ist Schwachsinn. Ich kann hier so lange stehen bleiben, bis dir die Beine abfallen.«
Sie sah die verräterische Schwellung in seiner Leistengegend. Er stand auf diese Spielchen, aber sie war nicht besser gewesen. Früher hatte seine Erregung sie angemacht, und es war ihr egal gewesen, dass sie dafür leiden musste. Jetzt fühlte sie nur noch glühenden Hass.
Er lächelte, weil sie gemerkt hatte, was los war. »Kommt nicht in Frage«, kicherte er. »Zwischen deine Zähne, Baby – nie und nimmer.«
»Du kannst mich mal kreuzweise.«
Sein Gesicht wurde härter. »Nun hör mir mal gut zu, Rachel. Ich nehme Sascha heute mit, und wenn du mich davon abzuhalten versuchst, hast du Uri und die ganze Meute auf dem Hals. Pass ja oder nein, du siehst Sascha nicht wieder – es sei denn, du gehst jetzt nach oben und packst zwei Taschen, eine für dich und eine für ihn. Ich will, dass du mitkommst, Rachel. Ehrlich. Sascha braucht dich.« Er ließ ihr Haar los, griff in seine hintere Hosentasche und zog ihren Reisepass heraus, den sie nur einmal für
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