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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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üblich, dass die Kunden ihren Verzehr auf den bereitstehenden Tabletts selbst zu den Tischen trugen, aber der Mann drehte sich einfach um und setzte sich an einen Platz. Er wollte offensichtlich bedient werden. Warum auch nicht bei einem solchen Trinkgeld? Außerdem war gerade nicht viel zu tun. Irene warf ihr einen langen Blick zu, als sie ihm den Kaffee und den Saft brachte. Und als sie ihm zehn Minuten später den Toast bringen wollte, stellte sie sich Rachel in den Weg.
    »Der Bastard soll gefälligst herkommen und ihn sich selbst holen«, zischte sie. Es war nicht das erste Mal, dass Irene versuchte, ihr Vorschriften zu machen.
    »Wer bist du denn? Mein Boss?«, gab Rachel spitz zurück.
    Sie war sich sicher, dass der Mann sie gehört hatte. Aber als sie an seinen Tisch trat, sagte er nichts. Erst später, als er gehen wollte, sprach er. Irene war auf dem Lokus.
    »Wann sind Sie fertig?«
    »Fertig womit?«, fragte sie und tat so, als verstehe sie ihn nicht.
    »Heute Abend?«
    »Oh, das ist die Frühschicht. Ich arbeite nicht vierundzwanzig Stunden am Tag.«
    Er bedachte sie wieder mit seinem Lächeln. »Spielen Sie nicht die Neunmalkluge, kleine Lady. Sie wissen ganz genau, was ich meine.«
    Sie schielte zu den Toiletten. »Sie wollen mit mir ausgehen? Ist das der Grund, warum Sie gefragt haben?«
    Er antwortete nicht, sondern starrte sie nur mit seinen intensiven grünen Augen an.
    »Finden Sie nicht, dass meine Frage gerechtfertigt ist?«, setzte sie nach. »Was wollen Sie?«
    »Sie sind eine schreckliche kleine Person, das merke ich.«
    »Ich? Schrecklich?« Es klang lustig mit seinem Akzent, und sie lachte. »Wer einen Schelm erkennt, ist selbst einer. Und nennen Sie mich nicht klein. Ich bin eins achtundsiebzig.«
    »Ich lade Sie zu einer Tasse Kaffee ein.«
    »Ich habe um drei Uhr Schluss. Dann können Sie mich zu einer Tasse Kaffee einladen, wenn Sie wollen.«
    Sofort wurde seine Miene sachlicher, als sei der Handel abgemacht und sein Charme nicht länger vonnöten. »Ich warte in einem Taxi auf der anderen Straßenseite.«
    Sie war von der jähen Veränderung enttäuscht, und es war ihr äußerst unbehaglich zumute. Was konnte sie Irene erzählen? Und warum wollte sie überhaupt mit dem Kerl ausgehen? Sie fühlte sich geborgen bei Irene. Hatte sie sich nicht vorgenommen, in sie verliebt zu sein? Während an jenem trostlosen Mittwochmorgen die Minuten und Stunden verstrichen, ging jedoch eine Veränderung in ihr vor. Ihr Unbehagen wandelte sich, und sie löste sich von Irene und der Sicherheit, die sie ihr bot.
    Sie hatte immer eine Schwäche für das Risiko gehabt, auch wenn es bei ihr normalerweise keine positiven, sondern verheerende Folgen hatte. Mit vierzehn war sie von einer Sportlehrerin unterrichtet worden, einer netten jungen Frau, die sie zu mögen schien und sehr risikofreudig war. Man müsse weiterkommen und dürfe nicht stecken bleiben, argumentierte sie. Rachel war sich sicher, dass das Steckenbleiben auf ihre Eltern gemünzt war. »Du bist ein sehr gewitztes Kind, Rachel«, wurde ihre Sportlehrerin nicht müde zu wiederholen. »Du könntest es wirklich zu etwas bringen. Und schrecke nicht davor zurück, dein Aussehen einzusetzen. Wir Frauen müssen auf alles zurückgreifen, was wir haben, um dorthin zu kommen, wo wir hinwollen.« Ja, ihr Aussehen hatte sie in der Tat eingesetzt, kein Problem. Aber der Schuss war immer nach hinten losgegangen.
    Sie spürte, dass sie sich in Gefahr begab, wenn sie sich mit dem Typ einließ. Sie hatte nur wenige Worte mit ihm gewechselt, aber den ganzen Tag über war ihr flau – sowohl vor Angst als auch vor Erregung. Es war die Gefahr, die verborgene Bedrohung, die sie anlockten. Er roch nach Rücksichtslosigkeit, Sex und Geld. Ich werde damit fertig, redete sie sich ein. Zum Teufel mit der lesbischen Liebe. Sie brauchte all diese Weichheit und Fürsorglichkeit nicht. Sie brauchte einen Mann, der die wahre Frau in ihr wecken konnte. Sie brauchte eine Herausforderung.
    Das Ende ihrer Beziehung zu Irene verlief nicht sehr schön. Irene weinte und flehte sie an, bei ihr zu bleiben. Rachel wusste es damals nicht, aber sie kam nie wieder in ihr Zimmer oder zu Hungry Harry’s zurück. Auch Irene sollte sie nie wiedersehen.
    »Wo möchten Sie hinfahren?«, fragte er, nachdem sie in das Taxi gestiegen war.
    »Irgendwohin, wo es zur Abwechslung mal nett ist.« Sie ahnte bereits, wie der Tag enden würde, und daher konnte sie ebenso gut noch etwas Anständiges für

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