Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Schultermuskeln.
Rachel war erst seit drei Tage in ihrem Job und schmierte gerade Käsebrötchen, als Irene von hinten die Arme um sie legte, Rachels Handgelenk umfasste und sagte: »So macht man das, mein Schatz.« Mit der anderen Hand legte sie die Brötchen auf der Theke nebeneinander und strich dann mit dem Buttermesser in Rachels Hand über die gesamte Reihe. Rachel machte das nichts aus; es schien eine freundliche, fast mütterliche Geste zu sein. Aber als Irene ihr Handgelenk losließ und ihre Taille mit den Händen umfasste, wusste sie, dass sich etwas anbahnte. Doch sie war so ausgehungert nach Zuneigung, dass sie selbst da keine Einwände erhob.
Sie gingen zusammen in ein Pub und amüsierten sich köstlich. Anschließend lud Irene sie zu sich ein, und sie zündeten Kerzen an und tranken Rotwein. Irene hatte ein Apartment für sich allein, eine Atelierwohnung in einem großen grauen Wohnblock, der sich sehr von der Bude in dem besetzten Haus unterschied, in der Rachel untergekommen war. Irene zahlte Miete, und sie bewohnte die Wohnung allein.
Als sie dann im Bett lagen, wusste Rachel nicht, was sie tun sollte, aber alles, was Irene mit ihr machte, fühlte sich gut an. Es war anders als das Zusammensein mit einem Mann, samtweich, fließend, Anfang und Ende gingen ineinander über. Keine Grobheit, kein Schweiß, keine Schärfe. Beim nächsten Mal hatte sie ihren ersten Orgasmus. Es war schön, anders konnte man es nicht bezeichnen, aber ein Feuerwerk, wie sie es erwartet hatte, war es nicht. Rachel hielt sich nicht für eine Lesbe, aber zum Teufel, wenn eine Frau es schaffte, dass sie sich so gut und so aufgehoben fühlte, dann würde sie es eine Weile ausprobieren. Sie war jung, sie musste Erfahrungen sammeln. Was war dagegen einzuwenden?
Fünf Wochen später hatte sich alles völlig verändert. Aus Gründen, über die Irene nicht sprechen wollte, verlor sie ihre Wohnung. Es hatte etwas mit einer Unter-Untervermietung zu tun. Irene hatte keine Bleibe mehr, und so zog sie bei Rachel ein. Es wurde ein wenig eng in Rachels Zimmer, und hinter Irenes Rücken machten sich Dave und Lynne gnadenlos über sie lustig. »Wir wussten gar nicht, dass du es mit Frauen hast, Rachel. Eine Lesbe! Das hätten wir nie für möglich gehalten.«
Irene nahm die Stühle vom Stapel. Sie wirkte verärgert.
»Dieser verdammte Martin, auf welchem Planeten lebt der eigentlich? Er soll den Boden putzen und die Stühle hinstellen, bevor er geht. Das ist nicht unser Job.«
Rachel wickelte gerade Tunfisch- und Gurkensandwiches in Frischhaltefolien, als der erste Kunde kam. Er ließ seinen Blick über die Auslage in der Theke schweifen.
»Servieren Sie auch ein französisches Frühstück?«
Rachel blickte auf. »Was ist das?«
Der Mann lächelte. Er war groß und dunkelhaarig, vermutlich über dreißig und trug einen eleganten beigefarbenen Anzug, ein schwarzes Hemd und eine schwarze Krawatte. Im Unterschied zu ihrer üblichen Kundschaft sah er modisch aus.
»Wo ich herkomme, ist das eine Tasse Espresso, frisch gepresster Orangensaft, ein Croissant, Butter und Marmelade.« Er hatte einen eigenartigen, starken Akzent, klang aber sehr höflich und selbstsicher.
Rachel lächelte zurück. »Wir können Ihnen einen normalen Kaffee anbieten, Saft aus der Packung und weißen oder braunen Toast, wie Sie möchten. Margarine und Marmelade übernehme ich.«
Der Mann warf lachend den Kopf zurück. Er hatte ein umwerfendes Lachen. »Klingt scheußlich, aber wenn Sie mir das machen, dann esse ich’s«, antwortete er, ohne seine grünen Augen auch nur einen Moment lang von ihr abzuwenden. Sein Blick strahlte eine Mischung aus Tücke und Humor aus. Er kniff seine Augen etwas zusammen, was sie nicht weniger verführerisch machte. Sie spürte, wie es ihr jäh durch den Unterleib bis in die Knie schoss. Gott, sah er gut aus. Obwohl er aus einem fremden Land kommen musste. Vielleicht war er Italiener oder Schweizer oder stammte aus irgendeinem anderen kultivierten und exotischen Land.
»Kommt sofort«, sagte sie energisch und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, welchen Eindruck er auf sie gemacht hatte. Sie wünschte sich, nicht diese grauenhafte Uniform zu tragen, aber sie hatte sich am Morgen die Haare gewaschen und etwas Makeup aufgelegt. Verdammt, sie war jetzt eine Lesbe, was tat sie da? »Das macht eins neunundneunzig.«
Er reichte ihr einen Fünfpfundschein. »Der Rest ist für Sie«, sagte er, und sie steckte das Geld ein.
Es war
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