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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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sich wieder dem Mann in der Luke zu. Wie würde das weitergehen? Würde sie diesen Mörder ein Leben lang jede Woche besuchen? Die Brosche, die er ihr gegeben hatte, sagte es nur zu deutlich: Verbundenheit für immer, bis dass der Tod uns scheidet. Vielleicht hatte sie die Brosche vorsätzlich verloren. Ein freudscher Rutscher, wie er es ausgedrückt hatte. Würde sie sich vor seinem langen Arm fürchten, wenn sie sich eines Tages für immer von ihm verabschieden wollte?
    »Gut, Edmund.« Sie lächelte. »Erzählen Sie mir davon, wie es zu der Beule an Ihrer Stirn gekommen ist. Ich bin ganz Ohr.«



8. Kapitel
    D as Telefon läutete. Es war Sylvias Stimme, ein wenig gepresst und sehr leise. »Eine lädierte Patientin kommt rein.«
    »Danke, Sylvia.«
    Madeleine lächelte gequält. Lädierte Patientin! Waren sie nicht alle lädiert? Sogar die Therapeutin selbst, ihr Kollege und die Sprechstundenhilfe …
    Sie überflog ihre Notizen zu Rachel Locklear, um sich ihre Geschichte und die in der vorigen Sitzung behandelten Themen zu vergegenwärtigen. Rachel war zu Madeleines Überraschung sieben Wochen lang zuverlässig zu den Therapiestunden erschienen. Madeleine hatte nach jeder Sitzung geglaubt, sie würde nicht mehr wiederkommen. Angesichts ihrer Klagen über die Kosten, ihrer Abwehrhaltung und ihrer teilweise offensichtlichen Abneigung gegenüber ihrer Therapeutin war es ein Rätsel, warum Rachel sie auch weiterhin aufsuchte. Hinzu kam, dass die Therapie, so sehr sich Madeleine auch weiterhin bemühte, eine Schneise durch den Dschungel ihrer gegensätzlichen Themen zu schlagen, nicht wirklich vorankam. Nichts veränderte sich, ein Durchbruch war nicht in Sicht. Rachel war nicht annähernd bereit, tiefere Probleme anzugehen. Und doch hatte sie offenbar etwas von der Therapie, denn warum sollte sie sonst wiederkommen?
    Madeleine wollte herausfinden, wen sie für Rachel darstellte, welche Art von Übertragung diese Frau gegenüber ihrer Therapeutin vornahm. Der Zorn war spürbar. Vielleicht war ihre Mutter doch nicht so vorbildlich tugendhaft und gütig gewesen, wie Rachel behauptete. Vielleicht hatte ein Schuldgefühl, die Überlebende zu sein, die heranwachsende Rachel dazu gebracht, ihre Mutter zur Heiligen zu erheben und die »schlechte Mutter« zu verdrängen. Auf diese Weise konnte sie sich auch weiterhin einreden, dass ihre Mutter wundervoll gewesen war, und ihren Zorn auf eine Ersatzmutter lenken, die Therapeutin.
    Als sie die Tür öffnete, konnte Madeleine kaum ihren Schock verbergen. Das war in der Tat eine lädierte Patientin. Rachel trug eine große, dunkle Sonnenbrille, aber sie konnte die Schwellung an der rechten Wange sowie die Prellungen an Kiefer und Stirn nicht verbergen, die zwar nicht mehr frisch waren, aber noch zwischen Blau- und Gelbtönen wechselten.
    »Mein Gott, Rachel«, flüsterte Madeleine. Sie schloss die Tür und legte die Hand auf Rachels Schulter. Rachel stand reglos da, und als sie sich Madeleine zuwandte, konnten beide nicht vermeiden, was sie scheinbar beide am wenigsten erwartet hatten. Rachel ging auf sie zu, und Madeleine legte ihre Arme um sie und drückte sie an sich. Verblüfft stellte sie fest: Diese stachelige, abgebrühte und störrische Frau gestattete es, nein, bat darum, in den Arm genommen zu werden, und sie, Madeleine, die so etwas kaum je mit Patienten machte, hatte ihrem Bedürfnis instinktiv entsprochen.
    Ich darf das, sagte sie sich, und ich will jetzt nicht an die Debatten darüber denken, ob es klug ist, Patienten zu berühren und ihnen physisch Zuneigung, Trost oder Unterstützung zu gewähren. Zur Hölle damit. Das hier muss einfach sein.
    Rachel rührte sich nicht. Ihre Arme hingen schlaff herab, und ihr Kopf ruhte auf Madeleines Schulter. Der Augenblick dehnte sich, aber Rachel verharrte weiter reglos, als wolle sie für immer dort stehen bleiben, umschlossen von menschlichen Armen. Gab es denn niemanden sonst, der sie in den Arm nahm? Keine Freunde, Tanten, Nachbarn, an die sie sich wenden konnte? Sie hatte nie von jemandem gesprochen.
    Schließlich löste Madeleine ihre Umarmung und legte die Hände auf Rachels Schultern. »Kommen Sie und setzen Sie sich. Ich möchte erfahren, was mit Ihnen passiert ist.«
    Rachel trug wie üblich enge schwarze Jeans, nur dass sie wegen des wärmeren Wetters aus Baumwolle statt aus Leder waren; dazu wie üblich ihre abgeschabten Cowboystiefel. Aber statt einer Baumwollbluse hatte sie jetzt einen schwarzen Rollkragenpullover

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