Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
entzückt, als sie ihm ihre Mitbringsel überreichte, und versicherte mehrfach: »Aber das wäre doch nicht nötig gewesen.« Seine Glatze glänzte im Sonnenlicht, und als fröhlichen Farbtupfer trug er ein fesches rotes Halstuch zu seinem weißen Hemd.
Ihr war allerdings nicht recht klar, was John an dem Mann sexy fand. Er war klein und rundlich; außerdem war er ein ganzes Stück älter als John. Insgeheim schalt sie sich, dass sie so wenig nett von ihm dachte. Die beiden hatten schließlich einige Anstrengungen unternommen, um es ihr schön zu machen.
»Wo hat sich mein Mann versteckt?«, fragte sie ihn fröhlich und sah sich nach John um.
»Sie meinen wohl eher meinen Mann«, erwiderte Angus mit einem leicht gezwungenen Lächeln.
»Ja, natürlich ist er Ihr Mann. Ich meinte ›mein Mann‹ im Sinne von ›mein Partner, mein Freund‹.« Madeleine lachte und fügte idiotischerweise hinzu: »Außerdem macht mir Teilen nichts aus.«
Damit war sie wieder ins Fettnäpfchen getreten. Reumütig beschloss sie, nicht um jeden Preis lustig sein zu wollen. Angus rollte unterdessen die Augen, als wollte er sagen: Ich habe mein Bestes getan.
»Ich bin erst eine Minute hier und schon völlig daneben«, meinte sie zerknirscht. »Sicher hat John Ihnen erzählt, dass ich mich im Moment nicht gerade auf der Höhe meiner geistigen Leistungsfähigkeit befinde.«
Angus streckte den Arm nach ihrer Reisetasche aus. »Lassen Sie mich das tragen.«
Nach Angus’ Kleidung zu urteilen, würde das Abendessen selbst hier draußen in der Wildnis sehr förmlich ablaufen. Aus Rücksichtnahme zog sie sich um. Da Angus nervös war, zog sie nichts Aufreizendes an. Aus einer Vorahnung heraus hatte sie eine Hose aus Rohseide und eine dazu passende Bluse in einem dunklen Purpurton eingepackt, und sie wusste, dass sie darin beeindruckend aussah.
»Mein Gott!«, riefen beide wie aus einem Munde und betrachteten sie mit aufrichtiger Bewunderung. John drückte ihr im Vorbeigehen die Hand und flüsterte: »Gute Wahl. Du siehst toll aus.«
Trotz des verpatzten Starts oder gerade deswegen lehnte Angus alle Hilfsangebote ab, als er in die Küche verschwand, um seine Zauberkunststückchen zu vollbringen. Madeleine und John taten sich unterdessen an Gin Tonics gütlich und unterhielten sich unter dem pilzförmigen Außenstrahler auf der kleinen Terrasse vor dem Wohnzimmer. Die Nacht senkte sich herab, und die wilde, hügelige Landschaft um das Cottage, die zuvor in leuchtenden Ocker- und Purpurtönen erstrahlt war, wurde schattig und dunstig, bis sie in der Dunkelheit versank.
Madeleine kippte den Rest ihres Drinks herunter. Sie brauchte unbedingt noch einen, am besten doppelt so stark. »Gibt es hier irgendwelche Ameisennester, von denen ich wissen sollte?«
»Nein, aber kurz nachdem wir das Essen ausgeladen hatten, bildete sich eine Autobahn zwischen der Küchentür und der Speisekammer. Gott, sind die schnell! Ich habe Angus gesagt, dass du dich über eine kleine Feldstudie freuen würdest, aber ich fürchte, dass er Ameisengift gestreut hat.« Er griff nach ihrer Hand. »Aber sag nichts. Er würde es nicht verstehen.«
Ameisengift! Sie bemühte sich, ihren Unwillen zu verbergen. Es war nicht fair, den Mann nach dem Einsatz von Ameisengift zu beurteilen, sie kannte ihn ja kaum. Johnny war glücklich, war das nicht das Wichtigste? Sie durfte sich nicht die Chance einer Freundschaft mit Angus verderben. Während sie sich noch im Stillen ermahnte, rief Angus nach ihnen.
Madeleine beugte sich zu John vor und sagte leise und ein dringlich: »Es wäre prima, wenn du und ich morgen kurz für ein Gespräch unter vier Augen verschwinden könnten. Ich muss dir etwas gestehen, das ich dir schon vor Jahren hätte sagen sollen. Du wirst gewaltig sauer auf mich sein.«
»Um Gottes willen«, meinte John erschrocken. »So schlimm?«
»Ja, John. Ich brauche dich und … deinen klugen Rat in dieser Sache.«
John wuchtete sich aus seinem wackeligen Liegestuhl und nickte. »Angus’ Rücken macht wieder Ärger. Er wird bestimmt nicht zu einem Spaziergang mitkommen wollen.«
Der Tisch im Esszimmer war liebevoll mit einer bezaubernden Sammlung verschiedener Teller, gestärkten Servietten und edlen Gläsern gedeckt. Madeleines Stimmungsschwankungen schmolzen dahin, als sie sich unter einen Kronleuchter mit fünf Duftkerzen setzten. Der Räucherlachs war auf jedem Teller kunstvoll zu einer Rose angerichtet, die mit einem Zweig frischem Dill, Zitronenstückchen
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