Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Sie kann Sie ein wenig beraten, alles mit Ihnen durchsprechen, damit Sie beruhigt sind.«
»Nein«, beharrte Madeleine. »Niemand wird mich dazu überreden. Sie können mich nicht dazu zwingen.«
Forbush schüttelte den Kopf.
»Ich will meine Tochter sehen«, wiederholte Madeleine mit Nachdruck.
»Das geht im Augenblick nicht.« Jetzt zeigte sein Finger direkt auf ihre Brust. »Denken Sie daran, was ich gesagt habe. Wir alle – Sie eingeschlossen – werden an das Wohl des Kindes denken. Die kleine Mikaela hat traumatische Wochen erlebt.« Forbushs Stimme verhärtete sich. »Ich weiß nicht, ob Ihnen überhaupt klar ist, was sie durchmachen musste. Sie braucht jetzt Stabilität. Sie braucht Liebe, Fürsorge und Kontinuität. Das bekommt sie endlich von Mr und Mrs X. Jetzt und für die absehbare Zukunft.«
Madeleine spürte, wie sie vor Angst und Zorn erblasste. War das wirklich möglich? Konnte man sie davon abhalten, ihre eigene Tochter zu sehen? Konnte man sie ihr wegnehmen – für immer?
In dem Augenblick, als sie von Mamas Einweisung in die Klinik erfahren hatte, war etwas mit ihr geschehen. Eine Saat ging auf, ein Gefühl mütterlicher Verantwortung, ein starker Wunsch – nein, das Bedürfnis –, ihrem Kind zu Hilfe zu eilen, es zu beschützen, ihm Zuflucht zu gewähren und es vor Schaden zu bewahren. Sie konnte lernen, eine gute Mutter zu sein. Jetzt war sie dazu in der Lage, und sie würde es tun.
»Ich werde dafür sorgen, dass sich mein Vater der Sache annimmt«, drohte sie. »Ich werde mir einen Anwalt nehmen. Ich will meine Tochter wiederhaben.«
Forbush lehnte sich in seinem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. »Es ist nicht wie im Fernsehen, Madeleine. Wir sind nicht in einer Seifenoper. Wir reden hier über das Glück und das Wohlergehen eines real lebenden Kindes. Wenn Sie Ihr kleines Mädchen lieben, werden Sie das tun, was das Beste für sie ist. Dann werden Sie wollen, dass sie glücklich und gefestigt ist und gute, solide Eltern hat, die ihr alles geben, was sie braucht, um zu einer voll funktionsfähigen Erwachsenen heranzuwachsen.«
»Das habe ich tatsächlich schon in einer Seifenoper gehört. Ich glaube es aber nicht. Ich bin ihre Mutter, und ich bin sicher, dass das etwas zählt.«
Sie hielt inne und biss sich auf die Lippe. Es hatte keinen Sinn, aggressiv zu werden. Es stand Mr Forbush ins Gesicht geschrieben, dass sie sich damit keinen Gefallen tat.
»Mr Forbush. Ich wusste nicht, dass meine Mutter an dieser … Erkrankung leidet. Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich auf der Stelle hierhergekommen. Bitte verstehen Sie doch, ich war noch sehr jung und unreif, als Mikaela geboren wurde, und außerdem wurde ich schwer krank. Nach der Geburt habe ich Kindbettfieber bekommen und musste drei Wochen im Krankenhaus verbringen. Meine Mutter hat einfach das Heft in die Hand genommen und das Baby zu ihrem Kind gemacht. Vielleicht hätte ich das nicht zulassen sollen, aber sie trat sehr energisch auf. Selbst mein Vater stand auf ihrer Seite. Nach mir hatte sie noch drei Fehlgeburten. Sie wollte sehnlichst ein weiteres Kind, sie war ganz verzweifelt.«
»Verzweifelt« – wie verdächtig das jetzt klang. Madeleine bereute ihre Wortwahl, beeilte sich aber, mit ihrem Monolog fortzufahren. »Sie war mir gegenüber eine wunderbare Mutter, deshalb habe ich ihr völlig vertraut. Sie war jung, sie hatte viel Zeit, sie war allein … Mr Forbush, ich habe nichts Unrechtes getan. Sie stellen mich als einen fürchterlichen Menschen hin, dem alles egal ist. Das ist nicht fair. Ich glaube, dass Sie mir eine Chance geben müssen.«
Mr Forbush, der in seinem Sessel gelehnt und ihrem Appell wohlwollend zugehört hatte, beugte sich plötzlich über den Tisch und stach streng mit dem Zeigefinger in ihre Richtung.
»Sie glauben, dass Sie sich angemessen um das kleine Mädchen kümmern können, Madeleine? Und wo werden Sie wohnen? Haben Sie eine eigene Wohnung? Haben Sie eine Arbeitsstelle? Haben Sie eine Kinderbetreuung? Ersparnisse? Einen Ehemann und Vater für das Kind?« Fast höhnisch fügte er hinzu: »Eine Mutter, die Ihnen hilft und Sie berät?«
Er senkte den Finger, als hätte er gemerkt, dass er zu weit gegangen war, und fuhr freundlicher fort: »Madeleine, ich fühle mit Ihnen. Gott weiß, wie Ihre eigene Kindheit gewesen ist. Ihr Vater hat mir erzählt, dass Sie wegen des exzentrischen Verhaltens Ihrer Mutter alle möglichen Probleme hatten und manchmal tagelang nicht
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