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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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kennen sich aber gut aus!«
    Die Ärztin lacht. »Ich bin alt, aber nicht blöd.« Dann wendet sie sich an Stanislaw: »Ich glaube, mein Lieber, wir können es wagen aufzustehen. Ich denke, Sie hatten Glück. Für mich sieht es nur nach einer kleinen Gehirnerschütterung aus.« Sie blickt ihn freundlich an, und ich habe das Gefühl, als ob das Strahlen aus ihren Augen auch ihn erreicht und wärmt. Obwohl er noch sehr blass ist und die Pflaster und Blutflecken in seinem Gesicht furchterregend aussehen, erwidert er das Lächeln. Frau Biermann hebt die Hand. »Aber erst einmal müssen Sie mir aufhelfen, Schwester. Ich hätte eben früher Yoga machen sollen. Angeblich bleibt man damit ja bis ins hohe Alter gelenkig wie ein chinesischer Artist.« Sie streckt mir die Hand entgegen: »Ziehen Sie kräftig.« Mit einiger Mühe kommt sie auf die Beine.
    Gemeinsam unterstützen wir dann den Musiker beim Aufrichten. Einige quälende Male knickt er wieder zusammen. Schließlich bleibt er jedoch stehen.
    Frau Biermann grinst mir zu. Wieder leuchten ihre grünen Augen. »Wie gut – es hätte auch schlimmer kommen können.« Sie zupft Stanislaw am Ärmel. »Machen Sie sich keine Sorgen. Jetzt können wir noch einen schönen Sommerabend genießen!« Obwohl sie so klein ist und mit dem leicht verkrümmten Rundrücken sehr alt aussieht, geht ein Licht von ihr aus, das mich mit Neid erfüllt. Ich möchte auch eine derartige Zufriedenheit und Vitalität ausstrahlen, wenn ich alt bin. Sehr oft erlebe ich im Krankenhaus verbitterte Menschen, die mit ihrem Leben hadern und jedermann für ihr Leiden und ihr Alter verantwortlich machen. Frau Dr. Biermann gehört wohl nicht dazu. Sie weist mit dem Kopf auf eine Bank, die am Rande des Vorplatzes steht. »Helfen Sie mir, unseren Kranken dorthin zu bringen?«
    Gemeinsam gelingt es uns, Stanislaw auf die Bank zu setzen. Wieder trinkt er aus der Wasserflasche.
    Frau Biermann beobachtet ihn nachdenklich. »Wo wohnen Sie?«, fragt sie ihn.
    Der blickt mich hilfesuchend an und zuckt die Achseln.
    Ich übersetze: »Ich glaube, Stanislaw hat keine Wohnung in Hamburg.«
    Stanislaw nickt. Auch Frau Biermann nickt. »Ich verstehe.« Sie zögert. »Und ein Krankenhaus kommt für ihn auch nicht in Frage, stimmt’s?«
    Jetzt nicken wir beide. Stanislaw erklärt mit zitternder Stimme: »Ist nix schlimm. Ich schon etwas finden. Im Moment, es gibt viele Straßenmusiker aus Russland in Hamburg. Jeder weiß etwas. Ich frage.«
    Die Ärztin schüttelt den Kopf. »Ich bin mir zwar sicher, dass Sie in ein bis zwei Tagen wieder völlig auf dem Damm sind, aber Sie sollten sich heute und morgen ausruhen.«
    Ich denke an Daniels große Wohnung und daran, wie er Maria geholfen hat. Und schon platzt es aus mir heraus: »Er könnte zu mir kommen.«
    Stanislaw sieht mich überrascht an.
    Frau Biermann zeigt dagegen keinerlei Erstaunen. Sie fragt nur: »Wo ist das?«
    »Eppendorf. Isestraße.«
    Frau Biermann beißt sich auf die Lippen. »Das ist mir zu weit. Wir müssten ihn mit einem Taxi transportieren. In welchem Stock wohnen Sie?«
    »Im dritten.« Verlegen ergänze ich: »Ohne Fahrstuhl.«
    Frau Biermann schüttelt den Kopf. »Das ist nicht gut. Sie haben ja gesehen, dass er kaum stehen kann. Warten Sie mal.« Sie macht ein Gesicht, als löse sie eine komplizierte Rechenaufgabe. Endlich hellen sich ihre Züge auf. »So könnte es gehen. Ich wohne nämlich gleich hier, am Rande des Schanzenparks, im Altenheim.« Sie schaut auf die Uhr. »Jetzt sind alle gerade beim Abendessen. Da können wir ihn hineinschmuggeln.« Unternehmungslustig sieht sie mich an. »Ich kann doch auf Sie zählen?« Sie zeigt auf den Rollator, der in der Nähe steht. »Wir haben ja auch meinen Porsche, da kann er sich zwischenzeitlich mal ausruhen.« Bevor es losgeht, fällt ihr noch etwas ein. »Gehen Sie bitte schnell hinüber zum Kiosk und bezahlen das Wasser? Ich gebe Ihnen Geld.« Sie zieht einen Schein aus ihrer Jeanstasche.
    »Nein, das zahle ich.« Ich schüttle den Kopf und eile zum Kiosk hinüber.
    Der Betreiber, ein schlanker Inder, wehrt jedoch ab, als ich Geld auf den Ladentisch lege. »Das war Erste Hilfe! Gut für Karma!« Während er mir die Münzen mit Nachdruck über den Tresen zurückschiebt, fügt er hinzu: »Gute Frau, die Ärztin. Ich nehme kein Geld von ihr.«
    Als ich mit dieser Botschaft zu Frau Biermann und Stanislaw zurückkomme, zieht Frau Biermann den Schein wieder aus ihrer Tasche und steckt ihn, keinen Widerspruch

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