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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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Benny zur Berufsschule fahren.«
    »Grüß ihn.«
    »Mach ich. Er lässt dich auch grüßen.«
    »Tschüss.«
    »Tschüss.«
    Nachdenklich lasse ich das Handy sinken. Wie viel ist bei diesem netten, normalen Gespräch
nicht
gesagt worden! Ich habe Nick weder von Dr. Lenchen und Stani berichtet noch von dem erneuten Treffen mit Filou. Nick hat mir nicht erzählt, was er gestern Abend gemacht hat oder was er heute vorhat. Er hat nicht erwähnt, wie er geschlafen hat – ohne mich in unserem großen Bett. Dass Benny mich grüßen lässt, ist ein Witz. Mein Sohn würde eher freiwillig Warzen bekommen, als so etwas Spießiges zu tun. Das weiß Nick genauso gut wie ich. Trotzdem benehmen wir uns beide wie Schauspieler in einem Theaterstück. Keiner von uns nimmt die Unterhaltung ernst – sie ist ja auch völlig belanglos. Aber wir ziehen sie dennoch vor, um einander nicht die großen, die echten Fragen stellen zu müssen. Warum bist du nach Hamburg gefahren? Bist du glücklich? Liebst du mich noch? Ist dies das Leben, wie wir es uns vorgestellt haben? Gibt es überhaupt ein anderes Leben? Heißt Leben immer, sich mit Kompromissen arrangieren zu müssen? Und: Ist das so furchtbar? Wenn wir jung sind, träumen wir alle von einer großen, strahlenden Zukunft. Nach der Kindheit, der Pubertät und der Enge der Familie scheint nur eine einzige, hell erleuchtete Straße in die Freiheit zu führen. Endlich erwachsen! Am Ende jedoch ist die große Zukunft nichts anderes als Alltag. Ohne Strahlen und Herzklopfen. Mit Pulver im Filter der Kaffeemaschine.
     
    Am späten Vormittag betrete ich die Seniorenresidenz, diesmal vorschriftsmäßig durch den Haupteingang, und melde mich am Empfang. »Ach, Sie sind sicher die Enkelin«, sagt die freundliche Dame am Tresen, als ich mich nach »Frau Dr. Biermann« erkundige.
    »Die Enkelin?«, wiederhole ich leicht begriffsstutzig.
    »Ja, Dr. Lenchen hat schon erzählt, dass Sie vorbeikommen wollen. Wie nett. Wir freuen uns immer, wenn unsere Gäste Besuch haben. Ihr Vater ist ja bereits da.«
    »Mein Vater?«
    Die Dame lacht. »Na, wer hatte denn nun den Unfall? Sie oder Ihr Vater?«
    In diesem Moment begreife ich: Dr. Lenchen hat Stanislaws Anwesenheit erklären müssen und sich offensichtlich ein Drama ausgedacht, in dem wir die Rollen ihres Sohnes und ihrer Enkelin übernehmen. So schnell kann man zu einer Familie kommen! Ich reiße mich zusammen und spiele das Spiel mit. »Entschuldigen Sie, ich bin noch etwas geschockt.«
    Die Dame zieht die Augenbrauen hoch. »Wer hätte auch gedacht, dass ein Mann im Alter ihres Vaters noch einmal Rollschuhlaufen will?« Sie holt kurz Luft. »Ihre Großmutter hat von dem Ärger mit den Handwerkern erzählt. Wenigstens sind Sie heil wieder zu Hause angekommen. Grönland ist ja auch nicht jedermanns Sache.«
    Ich nicke verständnisvoll, obwohl ich mir keinen Reim auf ihre Worte machen kann, und lasse mir den Weg zu Dr. Lenchens Apartment schildern, als wäre ich noch nie in diesem Haus gewesen. An der Tür mit der Nummer  17 ist mit Klebestreifen ein Zettel befestigt. Mein Name steht darauf. Als ich ihn auffalte, lese ich: »Eva, wir sind im Café Wintergarten, unten im Haus.« Ich finde die beiden unter einer leuchtend gelben Markise auf der großen Terrasse, die sich an der Längsseite des gut besuchten Cafés erstreckt.
    »Meine Kleine!«, ruft Dr. Lenchen und winkt. Als ich auf sie zutrete, streckt sie beide Arme nach mir aus und zieht mich in eine herzliche Umarmung. Sie duftet frisch nach Zitrone und Seife. Verschwörerisch zischt sie mir zu: »Alle hier machen so ein Theater um ihre Enkel, da muss ich es auch tun, um nicht auszufallen.« Als ich nicke, flüstert sie: »Letzte Woche habe ich mich stundenlang mit einer Mitbewohnerin über ihren Enkel unterhalten. Hinterher erfuhr ich, dass sie nicht einmal ein Kind hatte. Sie hat den Enkel schlicht erfunden, um hier mitreden zu können.« Sie drückt mir die Hand, weil sie sieht, dass sich eine Kellnerin dem Tisch nähert. »Willst du deinen Vater nicht begrüßen?«
    Stanislaw grinst mich verschmitzt an, als ich auch ihn umarme. Er klopft mit seiner Hand auf den Stuhl neben sich. »Setz dich zu deinem alten Vater!«
    Ich spiele artig meine Rolle. »Also, Papa, wie geht es dir?«
    »Viel besser.«
    Die Kellnerin tritt an den Tisch. »Möchten Sie etwas bestellen?«
    Ich zeige auf die großen Kaffeegläser mit Milchschaum, die vor Stanislaw und Dr. Lenchen stehen. »Auch bitte einen

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