Erdbeermond: Roman (German Edition)
»Wie Jon Bon Jovi.«
In größter Verlegenheit verbarg sie das Gesicht in ihren Händen.
»Ist doch nicht schlimm«, sagte ich sanft. »Erzähl weiter. Jon Bon Jovi.«
»Ich weiß, was das bedeutet«, sagte sie. »Ich habe es bei anderen Frauen gesehen. Erst denken sie, er sieht ein bisschen aus wie Jon Bon Jovi und dass es ihnen noch nie aufgefallen ist, und dann sind sie plötzlich scharf auf ihn. Und ich will nicht scharf auf ihn sein. Ich finde, er ist ein Idiot. Und dabei nicht mal nett. Verstehst du? Grummelig.«
»Du brauchst nicht scharf auf ihn zu sein. Beschließ einfach, dass du es nicht willst.«
»Du meinst, es ist so leicht?«
»Ja!«
Also, vielleicht.
»Mum?«
»Welche von euch beiden ist es?«
»Anna.«
Lautes Einatmen. »Gibt’s Neuigkeiten von Jacqui und Joey?«
»Ja. Deswegen rufe ich an.«
»Los. Erzähl!«
»Sie findet, dass er wie Jon Bon Jovi aussieht.«
»Das war’s dann. Jetzt ist alles aus.«
»Keineswegs. Jacqui kann ziemlich stur sein.«
»Er zieht die Liebe durch den Schmutz.«
»Das stimmt wahrscheinlich.«
»Das kommt in einem Lied vor«, zischte sie. »In einem Song von Echten Männern. Von Guns and Leopards, oder wie die heißen. Es sollte ein Witz sein.«
»Entschuldige«, sagte ich. »Entschuldige bitte.«
»Hat sie diesen Hund bekommen? Dieses Labradoodle-Dingens?«
»Nein.« Es wäre leichter, einen atomaren Sprengkopf zu kaufen, hatte sie gesagt. Und woher wusste Mum das mit dem Hund?
»Zum Glück. Sie würde sich ja nicht viel um das arme Tier kümmern, da sie jetzt auf Joey scharf ist.«
»Sie ist nicht scharf auf ihn.«
»Oh doch, sie weiß es nur noch nicht.«
NEUNUNDZWANZIG
Ein paar Abende später sah ich ganz zufällig – aber durch einen Zufall, der offensichtlich beabsichtigt war, wenn man bedenkt, dass ich immer mehr Zeit damit verbrachte, die spiritualistischen Sendungen im Fernsehen zu verfolgen – Neris Hemming im Fernsehen! Nicht nur eine Fernsehübertragung einer ihrer Shows, sondern eine halbstündige Sondersendung über sie. Zwar auf Kabel, aber egal. Sie war wahrscheinlich Ende dreißig, hatte schulterlange wallende Locken, trug ein blaues Schulmädchenkleid, saß mit übergeschlagenen Beinen in einem Sessel und sprach mit dem Interviewer.
»Ich konnte schon immer ›andere‹ Menschen sehen und hören«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich hatte immer Freunde, die keiner sehen konnte. Und ich wusste, dass manche Dinge passieren würden, bevor sie passierten. Meine Mom war oft sehr wütend auf mich.«
»Doch dann geschah etwas, das die Einstellung Ihrer Mom veränderte«, sagte der unsichtbare Interviewer. »Können Sie uns davon erzählen?«
Neris schloss die Augen, um sich genau zu erinnern. »Es war ein ganz gewöhnlicher Morgen. Ich hatte gerade geduscht und trocknete mich ab, als … es ist nicht so leicht, das zu beschreiben, aber alles wurde plötzlich ganz schwummerig, und ich war nicht mehr im Badezimmer. Ich war ganz woanders, draußen, auf einem Highway. Ich konnte den heißen Asphalt unter meinen Füßen sehen und spüren. Ich konnte Benzin riechen und noch etwas, einen schlimmen Geruch. Viele Autos brannten, und das Schlimmste waren die Menschen, die überall auf der Straße lagen. Ich wusste nicht, was mit ihnen war. Es war entsetzlich. Und dann war ich plötzlich wieder im Badezimmer und hielt das Handtuch.
Ich wusste nicht, was mit mir geschehen war. Ich dachte, ich sei im Begriff, verrückt zu werden. Ich hatte riesige Angst. Ich rief meine Mom an und erzählte ihr, was passiert war, und sie war sehr besorgt.«
»Sie hat Ihnen nicht geglaubt?«
»Kein Wort! Sie dachte, ich würde überschnappen. Sie wollte, dass ich in die Klinik gehe. An dem Tag bin ich nicht zur Arbeit gegangen. Mir war übel, und ich legte mich wieder ins Bett. Am Abend schaltete ich den Fernseher an. In den Nachrichten wurde über einen schrecklichen Unfall berichtet, der auf der Autobahn passiert war, und die Bilder waren genau die, die ich gesehen hatte. Ein großer Lastwagen mit einer Ladung chemischer Stoffe war explodiert, andere Autos waren in Flammen aufgegangen, und mehrere Menschen waren in den Flammen umgekommen … Ich konnte es nicht glauben. Ich fragte mich, ob ich vielleicht wirklich verrückt geworden war.«
»Aber das waren Sie nicht.«
Neris schüttelte den Kopf. »Nein. Im nächsten Moment klingelte das Telefon. Meine Mom war dran und sagte: ›Neris, lass uns darüber reden.‹«
Ich kannte das alles schon, ich hatte
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