Erdbeermond: Roman (German Edition)
wird.«
»Wirklich?« Meine Eingeweide krampften sich vor fast unerträglicher Aufregung zusammen.
»Ja, wirklich. Viel Glück. Ruf mich an.«
Ich war nervös, zappelig. Ich konnte nicht arbeiten, ich rannte hin und her und starrte aus dem Fenster. Am späten Nachmittag färbte sich der Himmel auf einmal purpurn, und die Luft war heiß und still.
Teenie sah von ihrem Schreibtisch auf. »Sieht nach Gewitter aus.«
Ich war so überwältigt, dass ich mich setzen musste.
Der Himmel verdunkelte sich zunehmend, und ich hoffte und betete, und als das erste Donnergrollen über Manhattan zu hören war, entwich mir ein Seufzer der Erleichterung. Sekunden darauf zerrissen Blitze den Himmel, und die Schleusen öffneten sich. Ich lauschte dem Rauschen des Regens, der über der Stadt niederging, und zitterte vor Erregung. Auch meine Lippen bebten, und als das Telefon klingelte, konnte ich kaum sprechen. »Candy Grrrl Publicity, Anna Walsh.«
Es war noch einmal Nicholas. »Kannst du es fassen?«, rief er.
»Vollmond und Gewitter«, sagte ich ergriffen. »Wie groß sind die Chancen, dass beides zusammentrifft?«
»Größer, als man gemeinhin denken würde«, sagte er. »Du weißt ja, dass Vollmond sich auf die Gezeiten auswirkt …«
»Hör auf, hör auf! Du raubst mir meine Illusionen.«
»Entschuldigung.«
Der nächste Anruf war von Mitch. »Viel Glück heute Abend.«
»Kannst du glauben, dass beides zusammentrifft?«, fragte ich.
»Nein. Es muss ein Zeichen sein. Ruf mich an, wenn du reden möchtest.«
Der nächste Anruf war von Jacqui. »Ich habe mich in Grummel-Joey verliebt.«
»Und wie sieht Grummel-Joey das?«
»Er hat sich in mich verliebt.«
»Das würde ich mir zu gerne mal ansehen. Vielleicht können wir uns einen Abend mal treffen?«
In ganz Manhattan war kein Taxi zu haben, und ich wurde auf dem Weg von der Subway zur Wohnung klitschnass, die Tasche über dem Kopf nützte überhaupt nichts. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, ich war viel zu aufgeregt. Ich lief durch die Wohnung, rieb mir mit einem Handtuch die Haare trocken und überlegte, was offiziell als »nach Sonnenuntergang« gelten konnte.
Als das Gewitter anfing, war der Tag zur Nacht geworden, und ich war besorgt, dass es nicht »nach Sonnenuntergang« war, bloß weil die Sonne nicht mehr zu sehen war. Sie war zwar hinter dunklen Wolken verschwunden, aber vielleicht war sie noch nicht untergegangen.
Ich war mir nicht sicher, ob das alles sinnvoll war, aber Nicholas’ Anweisungen waren sehr genau – die Aufnahme durfte erst »nach Sonnenuntergang« beginnen –, und ich konnte es mir nicht leisten, einen Fehler zu machen, denn dann dauerte es wieder vier Wochen, bis das nächste Mal Vollmond war.
So lange warten zu müssen, bis ich Aidans Stimme hören würde, brachte mich beinahe um, aber ich zwang mich, bis nach zehn auszuhalten; unter normalen Umständen wäre die Sonne dann auf jeden Fall untergegangen.
Ich stellte den Kassettenrekorder ins Schlafzimmer, wo es viel stiller war als im Wohnzimmer, das zur Straße hinaus lag. Das Donnergrollen hatte aufgehört, aber es goss immer noch in Strömen.
Um mich zu versichern, dass das Gerät funktionierte, sagte ich ein, zweimal »Test, eins, zwei«. Ich kam mir vor wie der Techniker von einer Band, aber es musste gemacht werden, und wenigstens sagte ich es nicht mit affektierter Stimme, dann atmete ich tief ein und sagte ins Mikrofon: »Aidan, bitte, sprich mit mir. Ich … eh … ich gehe jetzt eine Weile weg, und ich hoffe so sehr, dass ich, wenn ich wiederkomme, eine Nachricht von dir hören kann.«
Ich schlich mich aus dem Zimmer, setzte mich ins Wohnzimmer, wippte mit dem Fuß und starrte auf die Uhr. Ich würde eine Stunde warten. Als die Zeit verstrichen war, schlich ich mich wieder ins Schlafzimmer; die Kassette war abgelaufen. Ich spulte sie zurück und drückte auf Play und betete die ganze Zeit: Bitte, Aidan, bitte, Aidan, bitte, hab mit mir gesprochen, bitte, bitte, Aidan.
Ich erschrak, als ich meine eigene Stimme am Anfang hörte, aber danach kam nichts. Ich strengte meine Ohren an und lauschte, aber danach war nichts zu hören, nichts außer dem Rauschen der Stille.
Plötzlich ertönte ein schrilles Kreischen vom Band, schwach, aber deutlich hörbar. Ich verging fast vor Angst. Mein Gott, mein Gott, war das Aidan? Warum hatte er geschrien?
Mein Herz raste wie ein Expresszug. Ich legte mein Ohr an den Lautsprecher, es waren auch andere Geräusche zu hören. Ein
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