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Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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war sie sehr groß, sodass man in der Mitte des Wohnzimmers stehen und dabei nicht alle vier Wände berühren konnte. Sie wohnten schon recht lange da, seit fast fünf Jahren, und es war gemütlich und bequem und voller Sachen, die eine Bedeutung hatten: Patchworkdecken und bestickte Kissen, die von ehemaligen Süchtigen, mit denen Rachel gearbeitet hatte, gemacht worden waren, Muscheln, die Luke bei dem Picknick zur Feier von Rachels viertem Jahr der Heilung am Strand gesammelt hatte – solche Sachen. Ein paar Lampen sorgten für freundliches Licht, und in der Luft hing der Duft der Blumen, die in einer Vase auf dem Couchtisch standen.
    »Bier, Wein, Wasser?«, fragte Luke.
    »Wasser«, sagte ich zu seinem Schritt. Ich hatte Angst, wenn ich anfing zu trinken, würde ich nicht wieder aufhören.
    Es klingelte. »Das ist Joey«, sagte Luke. Joey war sein bester Freund. »Glaubst du, du hältst es aus, wenn er kommt?« Ich versuchte, meine Antwort an Lukes Gesicht zu richten, ich versuchte es ernsthaft, aber meine Augen glitten an ihm hinunter und saugten sich an der Wölbung zwischen den Beinen fest. »Kein Problem.«
    Im nächsten Moment betrat Joey das Zimmer, schloss die Tür mit einer raffinierten Fußdrehung, packte sich einen Stuhl, schwang ihn herum und setzte sich rittlings darauf mit der Stuhllehne vor seiner Brust, und dabei zerriss er sich weder die Jeans, noch klemmte er sich die Eier ein. Sehr anmutig ausgeführt.
    »He, Anna, tut mir Leid, wegen … na ja … das ist hart.« Er war einer der Wenigen, die mich nicht mit Nettigkeit umbringen würden. War mir recht.
    Er musterte meine Narbe mit unverschämt direktem Blick, nahm eine Packung Zigaretten heraus, schlug oben auf die Packung, sodass eine Zigarette im hohen Bogen heraussprang und in seinen Mund flog. Mit einer fließenden Bewegung strich er ein Streichholz an der Ziegelwand an, und als er sich gerade die Zigarette anzünden wollte, kam aus einem anderen Zimmer Rachels Stimme: »Joey, mach das wieder aus.«
    Überrascht erstarrte er in der Haltung, das Streichholz brannte in seinen Fingern weiter, und er murmelte mit der Zigarette im Mund: »Ich wusste nicht, dass sie schon zu Hause ist.«
    »Oh, ich bin sehr wohl zu Hause. Mach es aus, Joey, sofort .«
    »Mist«, sagte er und pustete das Streichholz aus, das ihm die Finger zu verbrennen drohte. Langsam steckte er die Zigarette wieder in die Schachtel und brütete – man kann es nicht anders nennen – vor sich hin.
    Doch das hatte nichts damit zu tun, dass Rachel ihm das Rauchen verbot. Joey war immer schon so. Seine Grundstimmung war Unzufriedenheit mit der Welt. Wenn Leute ihn zum ersten Mal sahen, sagten sie oft mit einiger Heftigkeit danach: »Was war denn bloß mit diesem Joey los?«
    Er konnte absichtlich und ohne Anlass hässlich sein. Wenn zum Beispiel jemand mit einer neuen Frisur kam und alle sie bewunderten, sagte Joey nur: »Verklag sie. Du kriegst Millionen.«
    Manchmal sagte er auch gar nichts. Dann saß er einfach mit anderen zusammen und beobachtete sie aus schmalen Augen, den Mund zu einer grimmigen Linie geschlossen, während in seinem Kiefer etwas – ein Muskel? eine Ader? – zuckte. Deswegen fanden viele Frauen ihn attraktiv. Wenn sie sagten: »Früher ist es mir nie aufgefallen, aber sieht Joey nicht ein bisschen aus wie Jon Bon Jovi?«, dann wusste ich, dass sie ihn nicht mehr für einen übel launigen Stinkstiefel hielten, sondern ihn anziehend fanden.
    Soweit ich wusste, hatte er nie eine längere Beziehung gehabt, aber er hatte mit Tausenden von Frauen geschlafen, von denen manche mit mir verwandt waren. Zum Beispiel mit meiner Schwester Helen, als Teil ihres »Nimm dir und lass ziehen«-Programms. Sie sagte, er »sei nicht übel« gewesen, was ein hohes Lob war.
    Rachel behauptete, er habe ein Problem mit seiner »aufgestauten Wut«. Andere Leute, die sich mit aufgestauter Wut nicht auskannten, sagten: »Joey sollte sich mal ein paar Manieren angewöhnen.«
    Wenige Minuten darauf trafen der fette Gaz und Shake, der Luftgitarren-Mann, ein. Sie gaben sich große Mühe, meine Narbe nicht anzustarren, was zur Folge hatte, dass sie ihre Augen auf einen Punkt dreißig Zentimeter über meinem Kopf richteten, wenn sie mit mir sprachen. Aber sie waren freundlich. Gaz, ein ganz Lieber mit Bierbauch und Glatze – und vielleicht nicht der Hellste, aber was machte das schon? –, zog mich an seinen dicken Bauch und drückte mich. »Eine ganz böse Sache, Anna, Mann.«
    »Ja«,

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