Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
auch, als Aidan noch lebte und wir uns zu viert trafen.
    Die beiden schienen mit dem Taxifahrer zu streiten. Das übliche Spiel.
    »Guter Fahrer«, sagte Dana sehr laut und beugte sich zu dem Fahrerfenster runter. »Von wegen!«
    Dana war laut und hatte zu allem eine Meinung – damit zog sie eine Menge Aufmerksamkeit auf sich, wohin sie auch ging –, und ihr Lieblingsausspruch war: »Das ist ja abscheulich.« In drei Stufen: »Ab-scheu-lich.« Sie sagte das oft, weil sie fand, dass eine Menge Dinge abscheulich waren. Besonders in ihrem Job: Sie arbeitete als Innenarchitektin und war der Meinung, dass alle ihre Kunden einen grässlichen Geschmack hatten.
    »Lass mal, ich mach das schon«, sagte Leon, nicht sehr überzeugend.
    Neben der hochgewachsenen Dana wirkte Leon klein, rundlich und bekümmert. Oder vielleicht war er einfach klein, rundlich und bekümmert.
    »Gib ihm kein Trinkgeld«, befahl Dana. »Leon. Gib ihm kein Trinkgeld! Er ist einen kolossalen Umweg gefahren!« Leon beachtete sie nicht und zählte die Scheine ab.
    »Das ist doch unmöglich«, rief Dana. »So viel hat er nicht verdient!« Aber es war zu spät, der Fahrer hatte sich die Scheine schon geschnappt.
    »Ach, was soll’s!« Dana drehte sich auf ihren zehn Zentimeter hohen Absätzen um und warf den dichten Vorhang ihrer glänzenden Haare zurück.
    Dann entdeckte Leon mich, und sein Gesicht leuchtete auf. »Hi, Anna!«

    Leon und Aidan waren seit ihrer Kindheit befreundet, aber zusammen mit Dana und mir waren wir ein erstklassiges Quartett, wir passten sehr gut zusammen. Wenn Dana mal aufhörte, alles als abscheulich und unmöglich abzutun, war sie außerordentlich warmherzig und lustig. Zu viert verbrachten wir manchmal die Wochenenden miteinander, letzten Sommer waren wir eine Woche in den Hamptons gewesen, und im Januar in Utah zum Skifahren.
    Meistens trafen wir uns einmal in der Woche zum Essen – Leon war ein richtiger Genießer und probierte gern neue Restaurants aus. Wir hatten ein »Spiel«, bei dem wir neue Identitäten füreinander erfanden – Zoodirektor, Popstar, Zauberermädchen und so weiter. Aber das Beste waren unsere Fantasien für uns selbst. Leon wollte gern ein Meter achtzig groß sein, Mitglied der Spezialeinheit und ein Krav-Maga-Meister (oder wie das hieß – diese hippe Selbstverteidigungstechnik jedenfalls, auf die gerade ganz Hollywood abfuhr). Dana wollte eine vernachlässigte Ehefrau sein, die mit einem reichen Mann verheiratet war, der nie da war und seinen Haushalt wie eine große Firma leitete. Ich wollte Ariella sein. Nur freundlich. Und Aidan träumte davon, ein Baseballspieler zu sein, der in den World Series so viele Home-Runs schaffte, dass er den Titel für die Red Sox gewann.
    Irgendwie war es mir seit meiner Rückkehr aus Dublin besonders schwer gefallen, mich mit Leon zu treffen. Ich fürchtete, wenn ich mit dem Ausmaß seiner Trauer konfrontiert wurde, würde mir das meine eigene vor Augen führen.
    Die Schwierigkeit war nur die, dass Leon mich so dringend sehen wollte, wie ich ihn nicht sehen wollte – vielleicht betrachtete er mich als Ersatz für Aidan.
    Ich hatte ihn immer wieder vertröstet, aber vor ein paar Wochen hatte ich nachgegeben und mich mit ihnen verabredet. »Ich bestelle uns einen Tisch bei Clinton’s Fresh Foods«, verkündete er.
    Ich war entsetzt. Es war nicht nur der Gedanke, auszugehen, sondern auch die Vorstellung, einen unserer Viererabende nachzustellen.
    »Ich kann doch einfach bei euch vorbeikommen«, sagte ich.
    »Aber wir sind immer zum Essen ausgegangen«, antwortete er.
    Und ich dachte, ich sei diejenige, die das Geschehene leugnete.
    Ein paar Mal hatte er mich überredet, zu ihm zu kommen und seine Hand zu halten, während er weinte und seinen Erinnerungen nachhing. Doch diesmal, in dem Versuch, einen Schritt nach vorn zu machen, wollten wir ausgehen. Aber nur zu Diego’s. Es war ein kleines Lokal in ihrem Viertel, das Restaurant, auf das wir zurückgriffen, wenn in der Woche kein neues Restaurant in Manhattan aufgemacht hatte.
    »Was hast du denn da?« Dana sah die Candy-Grrrl-Tasche in meiner Hand.
    »Die neuesten Produkte.« Ich gab sie ihr.
    Dana sah die Kosmetika durch und dankte mir halbherzig. Ihr war Candy Grrrl nicht teuer genug. »Kriegt ihr auch Zeug von Visage?« , fragte sie. »Das mag ich lieber.«
    »Können wir reingehen?«, wollte Leon wissen. »Ich bin am Verhungern.«
    »Du bist immer am Verhungern.«
    Diego selbst stand am Tisch beim Eingang und

Weitere Kostenlose Bücher