Schmetterling, der mir half. Ich brauchte eine persönliche Empfehlung. Aber wen konnte ich fragen? Ich wollte ja nicht, dass die Leute dachten, ich sei verrückt geworden. Und das würden sie denken. Rachel würde das denken. Sie war wie Dana und fand, ich solle zu einer Beratung gehen. Und Jacqui würde sagen, ich müsste mehr rauskommen, dann würde es mir nach einer Weile besser gehen. Ornesto hingegen ging dauernd zu Wahrsagerinnnen, doch die prophezeiten ihm nur, dass der Mann seiner Träume an der nächsten Ecke auf ihn wartete. Sie sagten ihm nie, dass der Mann seiner Träume verheiratet war oder ihn schlagen oder mit seinen guten Kochtöpfen abhauen würde.
Vielleicht gab es jemanden im Büro? Nicht Teenie – ich wusste instinktiv, dass sie zu denen gehörte, die das alles für »Unfug« hielten. Und Brooke wäre entsetzt – als weiße angelsächsische Protestantin glaubte sie an gar nichts. Nur an sich selbst.
In der Agentur fielen mir nur die Mädels von EarthSource ein – Koo oder Aroon oder wie sie auch hießen –, aber ich konnte mich nicht zu sehr mit ihnen einlassen, sonst würden sie mich noch gegen meinen Willen zu ihren AA-Treffen mitschleppten.
Entmutigt rief ich meine Mails ab. Nur eine, von Helen.
An:
[email protected] Von:
[email protected] Thema: Auftrag!
Anna, ich habe einen Auftrag! Einen richtigen Auftrag. Verbrechen. Ding-dong! Alles kam gestern in die Gänge.
Im Büro, nichts zu tun, Füße auf dem Schreibtisch, dachte, wenn ich wie ein echter Detektiv aussehen würde, würde vielleicht etwas passieren, statt »Fall der geheimnisvollen Hundescheiße«. Dann – wie durch ein Wunder, als hätte ich es bewirkt, besitze vielleicht besondere Gaben – Auto hält draußen, voll im Halteverbot. Verkehrspolizisten in der Gegend scharf, freute mich auf gute Auseinandersetzung. Bemerkte dann: Auto sieht aus wie von Verbrechern. Wieso, weiß ich nicht, war mir aber klar. Instinkt.
Keine getönten Scheiben, aber Rückfenster mit gerüschten rosa Vorhängen. Abartig! Denke gerade Himmel , als zwei Typen aussteigen. Ding-dong!
Groß, muskulös, Lederjacken, volle Brusttaschen, sollte bedeuten Knarren!, aber wahrscheinlich nur Käsebrote. Trotzdem, mal was anderes als enttäuschte Frau in dickem Auto, die jammert, ihr Mann will nicht mehr mit ihr.
Die beiden Typen kommen rein, einer sagt: Sind Sie Helen Walsh?
Ich: Genau richtig!
Gebe zu, hätte sagen sollen: Wer will das wissen?
Wollte aber nichts riskieren.
Keine Zeit, alles genau zu erzählen – aber es geht los. Verbrecher, Knarren, Erpressung, »Druck«, haufenweise Geld –, und ICH soll dabei sein! Schreibe alles auf und schicke es dir. Tausendmal besser als blödes Drehbuch, viel aufregender. Warte auf lange, spannende Mail.
Das klang alles furchtbar weit hergeholt. Ich suchte also weiter in Google und fand so was wie »Mit den Toten sprechen« und »Seriöse Wahrsagerin«, und dann landete ich einen Volltreffer:
»Kirche der Spiritualistischen Kommunikation«
Ich klickte die Website an und fand heraus, dass es eine echte, autorisierte Kirche zu sein schien, in der man offenbar mit den Toten in Verbindung treten konnte.
Ich wagte es kaum zu glauben.
In New York und Umgebung gab es ein paar Niederlassungen. Die meisten waren außerhalb der Stadt oder in den weiter entfernten Stadtteilen, aber es gab eine in Manhattan, an der 10ten Avenue, Ecke 45ste Straße. Laut Website wurde dort am Sonntag um zwei Uhr ein Gottesdienst abgehalten.
Ich guckte auf die Uhr: Viertel vor drei. Den von dieser Woche hatte ich gerade verpasst. Nein, nein, nein!, hätte ich am liebsten gebrüllt, doch das hätte Ornesto auf meine Anwesenheit aufmerksam gemacht, und dann wäre er runtergekommen und hätte keine Ruhe gegeben. Egal, sagte ich mir und zwang mich, ruhig zu atmen, ich würde nächste Woche gehen.
Der Gedanke, mit Aidan sprechen zu können, erfüllte mich mit riesiger Hoffnung. So sehr, dass ich dachte, ich könnte die Welt wieder ertragen. Zum ersten Mal seit seinem Tod wollte ich unter Menschen sein.
Rachel war bei so einem Federstreichler-Wochenende, also rief ich Jacqui an. Ich wählte die Nummer ihres Handys, weil sie immer unterwegs war, aber da schaltete sich gleich die Mailbox an. Also versuchte ich mein Glück direkt bei ihr zu Hause, und sie ging ans Telefon.
»Ich kann es kaum glauben, dass du zu Hause bist«, sagte ich.
»Ich bin im Bett.« Sie klang, als wäre sie erkältet.
»Bist du