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Erde

Erde

Titel: Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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wird sie zu einer Nervenzelle. Andernfalls wird sie ein Helfer.«
    Nelson beobachtete fasziniert, wie von jeder Sekretionsstelle farbige Ströme ausgingen. Hier vermischten sich Rot und Weiß, um eine klare rosa Mischung zu bilden. Anderswo überlappte ein blaues Stimulans ein grünes und bildete komplexe Wirbel wie umgerührte Farbe.
    Dr. Wolling fuhr fort: »Die Zellen scheiden auch eigene chemische Stoffe aus, um ihre Nachbarn zu unterdrücken – recht ähnlich wie der stille chemische Krieg, den Pflanzen führen…«
    Nelson griff zu seinen eigenen Steuerorganen und vergrößerte den Maßstab, um näher hinsehen zu können. Er sah, wie Zellen sich schlängelten und stießen – im Bemühen, dort zu saufen, wo die Farben am hellsten leuchteten. Unterschiedliche chemische Kombinationen schienen unterschiedliche Verhaltensweisen auszulösen… Hier ein rasantes Wachstum, das zu engen Bündeln erfolgreicher Nerven führte, dort ein dürftigeres Netzwerk mit nur wenigen Gewinnern, deren lange, spindelförmige Anhängsel Spinnenbeinen ähnelten.
    »Es ist wie… als ob die verschiedenen Gemische verschiedene Milieus bewirten, nicht wahr? So wie unterschiedliche Mengen an Sonnenschein und Wasser hier zu einer Wüste führen und dort zu einem Dschungel. Wie… ökologische Nischen?«
    »Sehr gut! Und wir wissen, was geschieht, wenn eine Nische beschädigt ist oder versagt. Dies zieht unvermeidlich das Ganze in Mitleidenschaft, auch in großer Entfernung. Aber weiter! Wie reagieren die Zellen auf die unterschiedlichen Ansprüche der unterschiedlichen Umgebungen?«
    »Ich nehme an, sie passen sich an. Es ist also…« Nelson wandte das Gesicht seiner Lehrerin zu. »Es ist das Überleben der Tüchtigsten, nicht wahr?«
    »Ich habe diesen Ausdruck nie gemocht.« Aber sie nickte. »Du hast wieder recht. Nur hier ist das, worum sie kämpfen, keine echte Nahrung. Es ist ein Gebräu aus Substanzen, die für weitere Entwicklung benötigt werden. Wenn eine Zelle zu klein wird, so stirbt sie gewissermaßen. Als Astrozyt oder sonstige Hilfszelle lebt sie weiter. Aber sie hört auf als potentielle Nervenzelle zu existieren.«
    »Erstaunlich«, murmelte Nelson. »Dann kommt das Arrangement von Nerven in unsrem Gehirn also dadurch zustande wegen dieser kleinen zerstreuten Drüsen, die alle verschiedene chemische Stoffe absondern?«
    »Nicht zerstreut, Nelson. Wohlplaziert. Später werde ich dir zeigen, wie ein kleiner Unterschied im Betrage von Testosteron, das ein Junge vor der Geburt bekommt, entscheidende Veränderungen bewirken kann. Natürlich kommt nach der Geburt das Lernen zum Zuge, ganz so wichtig wie alles, das irgendwie vorher gekommen ist. Aber ja… dieser Teil ist wirklich erstaunlich.«
    Dr. Wolling schaltete die Projektion aus. Nelson rieb sich die Augen.
    »Evolution und Wettstreit erfolgen in unsrem Innern?« fragte er voller Scheu.
    Sie lächelte. »Du bist wirklich ein aufgeweckter junger Bursche. Ich kann dir nicht sagen, wie viele meiner Studenten diesen Sprung nicht schaffen. Aber wenn man es bedenkt, so ist es durchaus sinnvoll, in uns die gleichen Verfahren zu benutzen, die perfektem Leben auf dem Planeten als Ganzem geholfen haben.«
    »Dann sind unsere Körper genau wie…«
    Sie hielt ihn an. »Das genügt für jetzt. Mehr als genug. Geh, und füttere deine Tiere! Betätige dich körperlich etwas! Ich habe einige Lektüre in deine Tafel getan. Geh sie bis zum nächsten Male durch! Und verspäte dich nicht!«
    Immer noch blinzelnd und verwirrt erhob sich Nelson, um zu gehen. Nicht viel später glaubte er sich zu erinnern, daß sie sich auf Zehenspitzen aufgerichtet hatte, um seinen Nacken zu küssen, ehe er ging. Aber dann war er sicher, daß das eine Einbildung gewesen sein müßte.
     
    Als sich seine Verpflichtungen ausweiteten und ihn von den geregelten Teichen und Springbrunnen der Recyclingkuppel in das Regenwaldhabitat und die abgeschlossene Ebene führten, wo Riesenantilopen ihre Beine unter verstärkten Kristallscheiben reckten, begleiteten ihn die beiden Paviane wie Höflinge einen Prinzen. Oder, noch eher, wie Lehrlinge ihren Hexenmeister. Denn überall, wohin Nelson sich begab, ereigneten sich magische Dinge.
    Ich spreche ein Wort, und Licht erstrahlt, dachte er, wenn er seine nächtlichen Runden machte. Noch ein Wort, und Wasser steigt empor, damit die Tiere trinken.
    Stimmempfindliche Computer machten das natürlich möglich. Aber selbst raffinierte Systeme waren nicht gut genug, einen Platz

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