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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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Die Ziege steht ganz still. Ein Zittern geht durch ihren Leib wie eine Welle. Sie ist sichtlich froh, tröstende Wesen in ihrer Nähe zu haben. Annika und ich schauen weiter auf die ausgebeulte Stelle am Bauch.
    »Ich werde jetzt fuchsteufelswild«, tönt es schrill von der Mutter des Mädchens. »Ich zähle bis drei und dann du bist hier, sonst …«
    Die Beule zieht sich glatt und stülpt sich sofort umso stärker aus.
    Annika reißt die Augen auf: »Das ist ein Ziegenfuß!!!!«
    »Ja, das ist ein Ziegenfuß«, sage ich andächtig. »Ein ganz kleiner. Diese Ziege hier wird Mama.«
    »Alle Mütter sind Ziegen!«, sagt Annika.
    »Das wäre schön. Ziegen sind tolle Mütter«, antworte ich spontan, obwohl ich es überhaupt nicht weiß. Annika muss lächeln. Vorsichtig streichelt sie die werdende Mutter und sagt: »Du wirst eine tolle Mama. Viel Glück!«
    Annikas eigene Mutter lässt nicht locker. »EINS!«
    Die Ziege schnaubt. Wahrscheinlich hat sie eine Wehe, denn sie presst ihr Kinn schwer in meine Hand. Annika denkt, sie würde einfach nur mit uns kommunizieren. Sie strahlt glücklich.
    »Annika, lauf ruhig«, sage ich. »Und wenn du einen Angestellten vom Museum siehst, sagst du ihm dann, dass die Ziege hier gleich ein Baby bekommt?«
    »ZWEI!«
    Annika nickt ernst. Sie nimmt die verantwortungsvolle Aufgabe mit jeder Zelle ihres Daseins auf. »Das mache ich«, sagt sie und streichelt ein letztes Mal das schwangere Tier.
    »Und die letzte Zahl ist …«
    Annika rennt los. Nach ein paar Schritten bleibt sie kurz stehen und dreht sich um: »Wie heißt du?«
    »Caterina! Danke, Annika!«
    Annikas Mutter eilt auf sie zu und reißt den Arm des Mädchens hoch. Schimpfend zieht sie ihre Tochter hinter sich her. Annika biegt ihren Körper nach hinten, um noch mal einen Blick auf uns zu werfen. Dann winkt sie.
    Die Ziege stöhnt wieder und presst erneut ihren Kopf in meine Hand. Erstaunlich, wie schwer so ein Tier seinen Kopf machen kann. Da ist wieder das Zittern, das durch ihren gesamten Leib geht. Sie schreit nicht mehr, aber sie kann sich auch keinen Millimeter bewegen. Es geht los. Ich greife durch das Gatter und streichle vorsichtig ihren breiten Leib. Unter meiner Hand fühle ich die Konturen ihrer Zickleins genau. Wie konnten die Leute nur denken, sie wäre fett? Straff und ausgebeult ist sie. Die Zitterwellen kommen immer häufiger. Dazwischen sieht sie mich ausgesprochen dankbar an. Als ich klein war, wurde meine Mutter immer schnippisch, wenn ich alte Serien wie Lassie oder Flipper sah. Für sie war das alles eine unzulässige Vermenschlichung der Tiere. Das mag für diese Serien vielleicht zutreffen, aber meine Mutter hat noch nie einer Ziege in den Wehen beigestanden und ihr dabei in die Augen gesehen.

    »Sind Sie die Caterina?« Ein großer Blaumann steht in festen groben Stiefeln vor mir. An seinem oberen Ende hängt ein Karl-Marx-Bart. »Ich soll Ihnen von der Annika Grüße ausrichten.«
    »Dann sind Sie hier der Tierpfleger?«
    »Ja, auch. Unsere Susi macht vor ihren Wehen immer großes Theater, aber diesmal habe ich nichts gehört. Vielleicht war ich zu weit weg.«
    »Sie hat sehr laut geschrien. Ich saß da oben, als ich es hörte.«
    Der Pfleger betritt das Gatter und tastet Susi ab. »Ach, dann weiß ich, warum ich nichts gehört habe. Der Wind stand ungünstig. Gut, dass Sie sich um sie gekümmert haben. Wenn es so weit ist, braucht sie einfach Trost und ein wenig Sicherheit. Erst dann kann sie loslassen.«
    »Na ja, aber es geht doch los, wenn es losgeht, oder?!«, sage ich und höre mich dabei fast an wie der Schalterbeamte am Züricher Bahnhof.
    »Nicht bei Ziegen. Ziegen sind Fluchttiere. Sie gebären erst, wenn sie sich sicher fühlen. Die meisten Ziegenhalter verpassen die Geburten der Kitze. Aber die Susi ist da anders. Sie will nicht allein sein, sondern jemand Vertrauenswürdigen an ihrer Seite haben. Vielleicht würde sie sich mit ihrer Herde zufriedengeben, aber wir trennen die Hochträchtigen gerne ab.«
    Der Mann schaut der Ziege auf ihr Geschlechtsorgan. »Ah, da ist der Pfropf. Schön. Es dauert nicht mehr lang. Wollen Sie dabeibleiben?«
    »Gern, wenn ich darf.«
    »Die Susi hat nichts dagegen – warum sollte ich was dagegen haben?«
    Er nimmt ein Stethoskop aus einer mitgebrachten Tasche, die mir erst jetzt auffällt. Bevor er es anlegen kann, zittert Susis Leib erneut. »Ja, meine Gute, du machst das ganz toll!« Der Pfleger hört Susis Herzgeräusche während und nach der Wehe

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