Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
mich.
Ich müsste jetzt eigentlich würgen. Mich ekeln. Meine Mutter wäre längst schreiend davon gerannt. Aber ich spüre nichts davon. Im Gegenteil. Die Panik hat einer ganz neuen Form von Ruhe Platz gemacht. Ich muss handeln, also kann ich es auch. Ich nehme das Köpfchen des Kitzes und pule in der Nase und im Mund, bis alles offen aussieht. Die glitschigen Geräusche erinnern mich an Horrorfilme, die ich mit Susanne und den Männern in der WG gesehen habe. Zombies, Glibber und Gedärm. Aber was hier glitscht, ist das Leben, nicht der Tod.
Als ich mich an die Augen begebe, stöhnt Susi erneut, und ein Paar weiterer gespaltener Minihufe sind zu sehen. Ich frage mich, was ich mit der Nabelschnur machen soll. Das Ende steckt noch in Susi. Ob zu viel Blut rausläuft, wenn ich sie einfach abreiße? Solche Gefäße sind doch keine Einbahnstraße. Bei menschlichen Babys wird die Nabelschnur abgebunden, bevor sie durchtrennt wird. Ich nehme ein paar der durchfeuchteten langen Strohhalme und drehe sie zusammen. Das könnte funktionieren. Es funktioniert. Die Nabelschnur ist abgebunden. Jetzt nur noch abschneiden. Aber womit? Ich habe nichts. Ich sehe mich nach Heinz’ Tasche um.
»Heinz!!!«
Nichts.
Ich häufe Stroh an, lege das schwarzweiße Kitz darauf und reibe es gründlich ab. Es atmet von allein und ist so gut wie trocken. Ich decke es mit weiterem Stroh ab. Ich muss etwas mit der Nabelschnur machen. Susi würde sie durchbeißen … Nein. Bei aller Liebe. Ich leiste hier schon genug. Wenn ich jetzt noch eine Nabelschnur durchbeißen soll, bin ich tatsächlich in einem der Horrorfilme gelandet. Ich denke daran, wie ich eben die Fruchthülle zerrissen habe, und versuche, mit den Fingernägeln die Nabelschnur so weit einzureißen, dass der Rest mit Kraft abzubekommen wäre. Aber es gelingt mir nicht.
Susi bekommt die nächste Wehe, und das zweite Kitz flutscht so schnell aus ihr heraus, dass es fast bis zur Stallwand geschleudert wird. Ich rutsche hin, aber es ist ihm nichts passiert. Dieses Kitz ist völlig weiß. Es hebt den Kopf und will aufstehen. Seine Fruchtblase liegt direkt bei Susi. Die Nabelschnur ist bereits abgerissen. Immerhin. Bei dem weißen Kitz binde ich sie mit nassen Strohhalmen ab und bin dabei erstaunt, dass gar nicht viel Blut herausgekommen ist. Dann pule ich auch in Mund und Nase des zweiten Kitzes und reibe es von Kopf bis Schwanz trocken. Danach ist es völlig erschöpft und hat nichts dagegen, dass ich es zu seinem Geschwisterchen lege.
Susi stöhnt erneut.
»Wie viele Junge bekommt denn so eine Ziege auf einmal?«, frage ich mich halblaut und sehe mich wieder im Horrorfilm. Allein mit einer Ziege, die nicht aufhört, zu werfen. Und der Stall füllt sich immer weiter mit Leibern und Blut …
»Eins bis drei für gewöhnlich. Hier ist eine Schere.« Heinz hält mir eine OP-Schere hin.
Ich frage ihn nicht einmal, wo er war, sondern mache einfach weiter. »Danke.« Ich drehe mich zu dem Schwarzweißen um und trenne das Junge mit einem Schnitt von seiner Mutter.
Susi stöhnt erneut und presst. Diesmal sehe ich keine Hufe. Ich schaue auf zu Heinz und wieder auf Susis Vulva. Sie presst ein letztes Mal, die Vulva öffnet sich, und heraus kommt ein großer dunkelroter Klumpen. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Ich erschrecke und weiche zurück. Dann schalte ich und begreife, dass das die Nachgeburt ist.
»Gutes Mädchen«, brummt es aus dem Rauschebart, als er zu Susi geht. Er untersucht die Nachgeburt, Susi und die beiden Kitze, die sich schon mit wackeligen Beinchen aus dem Stroh hochkämpfen und zu ihrer Mutter wollen. Auch Susi steht nun wieder auf. Sie sieht jetzt deutlich schmaler aus.
»Das weiße Kitz ist ein Mädchen und das andere ein Junge. Beide fit. Caterina, das hast du richtig gut gemacht.«
»Ich habe dich gerufen!«
»Ich habe Decken geholt«, sagt Heinz. »Normalerweise dauert die Geburt länger.«
Ich sitze von Kopf bis Fuß durchnässt in den unterschiedlichsten Körperflüssigkeiten. Ich habe eine Fruchtblase zerrissen und bin einer Ziege näher gekommen, als ich je gedacht hätte. Ich stinke. Ich bin glücklich.
Heinz hält mir die Hand hin. Ich ergreife sie, und er zieht mich hoch.
»Nimm die Decke. Ich kümmere mich mal um den Stall. Weißt du schon Namen für die Kleinen?«
»Ich?«
»Klar, du hast die beiden doch in Empfang genommen.«
»Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.«
»Was hältst du von Caty? Caterina fände ich ein wenig zu
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