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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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darüber reden! Außerdem haben Liam und ich uns nur übers Reisen unterhalten. Er hat mich gefragt, ob ich schon mal in Europa war, und ich habe es ihm erzählt. Ich bin verantwortungsbewusst. Im Gegensatz zu meinen Eltern, als sie in meinem Alter waren!« Sie steht auf, wirft ihr Haar in einem prächtigen Schwung über ihre Schulter, hält den Kopf hoch und geht wieder zu Liam.
    »Oh Gott, hoffentlich haben wir sie wirklich gut genug erzogen«, seufzt Arne.
    »Wer ist denn Kōkā? Ist nicht hier, oder?«
    »Doch, Mere ist Hus Kōkā. Das heißt nichts anderes als Mutter.«
    Arne setzt sich wieder auf den Stuhl. »Erziehung ist so schwierig.«
    »Ich finde, ihr habt eure Sache richtig gut gemacht, und alles andere ist Hus Entscheidung, auch mit fünfzehn. Also ganz ruhig. Davon abgesehen – ihr habt es ja auch geschafft.«
    Arne dreht seinen schlichten goldenen Ehering am Finger. Er strahlt nicht mehr. Er sieht wie jeder normale Vater aus, dem klar wird, dass er die Liebe seiner Tochter früher oder später mit anderen Männern teilen muss. Ich hätte Hartmut gern getröstet oder wenigstens abgelenkt, wenn es so weit gewesen wäre. Dieser Trost wäre so viel einfacher gewesen.
    Hu steht wieder bei Liam. Mere beobachtet Arne. Dann blickt sie auf, hält ihre Hände an den Handrücken zusammen, macht mit den Fingern Flatterbewegungen und zwinkert mir zu.
    »Hast du dich in der Ornithologie auf irgendwelche Arten oder Gattungen spezialisiert?« Ich hätte nicht gedacht, dass die kleine Ablenkung so gut funktioniert, aber Mere kennt ihren Mann.
    In Arnes Gesicht geht augenblicklich wieder die Sonne auf, und er fängt an zu erzählen.

    Ich halte mir die Taille. Ich habe Seitenstechen. Entweder ist der Berg steiler, als ich dachte, oder ich habe falsch geatmet. Mitten in den grünen Büschen und Bäumen oberhalb meiner Unterkunft hocke ich mich hin und hole tief Luft. Was für eine Schnapsidee. Den Rest des Abends hat mir Arne von neuseeländischen Laufvögeln erzählt, den ausgestorbenen Moa, die es auf bis über zwei Meter Höhe und bis 270 Kilogramm brachten, und vom Wappentier Neuseelands, dem Kiwi. Man erzählt sich über diesen großen Vogel, dass er sich einst opferte, um seine Vogelfamilie zu schützen – er verzichtete auf ein Leben im Blätterdach und unter der Sonne, tauschte es gegen ein Leben auf dem Boden ein und vertilgte fortan die Käfer, die bis dahin die Bäume auffraßen. Der Kiwi wusste, dass er seine bunten Federn verlieren würde und niemals mehr fliegen könnte, und trotzdem erklärte er sich zu dem Opfer bereit. Zur Belohnung sollte er der beliebteste aller Vögel werden.
    Arne hat mir berichtet, dass es sehr schwer ist, Kiwis zu sehen. Sie sind nachtaktiv, sehr scheu – und kommen nur noch selten vor. Natürlich muss ich genau das auch noch reizvoll finden. Ich rupfe an einem Zweig herum. Der Mond erhellt gerade so viel, dass ich den Zweig in meiner Hand sehen kann. Ich richte mich wieder auf und horche. Überall raschelt es. Eine Eule ruft. Es klingt wie eine Mischung aus Kuckuck und Kauz. Arne hat mir auch von der Eule Morepork erzählt, einem Kuckuckskauz mit großen gelben Augen. Ich kneife meine Augen zusammen und versuche, das wenige Licht zu bündeln. Es ist sinnlos. Ich sehe Unterholz und Blätter. Wieso sollte ich ausgerechnet hier einen Kiwi finden? Arne sagt, er hätte in dieser Gegend noch nie einen gesehen. Es gibt hier auf der Nordinsel zwar in großen Gebieten ein braunes Exemplar, aber in diesem Areal leben keine mehr. Ich weiß nicht, warum, aber es ist mir egal: Ich suche trotzdem nach dem Vogel.
    Vielleicht da vorn. Da scheint das Mondlicht besser durch. Ich gehe ein paar Schritte. Langsam, um durchatmen zu können. Es piepst und raschelt. Jetzt ist es wieder still. Ich rieche den feuchten Waldboden. Die Luft ist sauber und klar. Da vorne ist die Lichtung. Noch einen Schritt und … kein Wald mehr. Nur noch Mond und Meer. Ich überblicke die kleine Owhiro Bay, weiter und weiter, in tiefem gekräuseltem Blau, auf dem der Mond sich spiegelt. Irgendwo dahinten streift die Südinsel Neuseelands meinen Blick, lässt ihn an sich abgleiten und lenkt ihn weiter zu den Pinguinen der Antarktis. Ob ich in diese Richtung sehe oder mich umdrehe und in die andere Richtung blicke oder ob ich die Route nehme, auf der ich hergekommen bin – ich bin immer rund 20000 km von zu Hause entfernt. Ich bin so weit weg, wie ich mich fühlte, als ich noch mitten unter den anderen mit meiner

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