Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
schief und hebt die Schultern an. »Was soll ich sagen? Ich fühlte mich begehrt, und es war schon so lange her. Außerdem gab der Mann auch den kleinen Dingen einen Wert. Nicht nur im Umgang mit mir. Wenn wir an einem Bungalow entlanggingen und das kleine, blaue Holzschild mit der Nummer lag auf dem Boden, hockte er sich hin, steckte es wieder rein und klopfte in aller Ruhe daneben die Erde glatt. Den Tuchverkäufern am Strand kaufte er grundsätzlich etwas ab. Und er sammelte Sandsorten. In Gläsern. Als erwachsener Mann! Das war so … so anders. Als wir uns zwei Wochen kannten, ist es schließlich passiert. Er verlängerte seinen Urlaub und blieb ganze sechs. Dann musste er zurück. Und ich merkte, dass ich mich unsterblich verliebt hatte.«
Sie reibt sich die Augen, nimmt die vollen Taschentücher, steht auf, geht ins Bad und wirft sie in den kleinen Mülleimer. Sie dreht den Wasserhahn auf und benetzt ihr Gesicht.
»Das ist vielleicht jetzt eine doofe Frage«, rufe ich in das Rauschen und Plätschern herüber, »aber hättest du ihn nicht einfach nach Deutschland begleiten können?« Und mir ganz nebenher Verfolgung, Drama und Tod im Orient ersparen?
Quietschend dreht sie den Hahn zu und steht in der Badezimmertür, ein Handtuch zwischen den Fingern. »Ich habe ihn gebeten, mich nicht zu kontaktieren. Es wären zu viele unbekannte Variablen ins Spiel gekommen. Zu riskant. Und da mein deutscher Pass im Safe meines Mannes liegt, hätte ich auch nicht einfach ausreisen können.«
Ein Mann, der den Pass wegschließt. Unglaublich.
»Das Ganze ist jetzt ein Jahr her?«
»Ja. Nächste Woche ist es genau ein Jahr her, dass wir uns kennenlernten.«
»Wie hat dein Mann das nach all dieser Zeit rausgekriegt?«
»Zu wenige Touristen.«
»Muss ich das verstehen?«
»Du siehst doch, wie wenig hier los ist. Normalerweise ist jetzt schon Hauptsaison. Die Hotels müssen Kosten sparen. Sie entlassen massenweise Leute. Und die wissen dann nicht mehr, wie sie ihre Familien ernähren sollen.«
»Ach so … verstehe. Hotelangestellte sind nur so lange diskret, wie ihr Magen voll ist.«
»So zynisch würde ich das nicht ausdrücken.«
»Ich schon. Der Kerl, der dich verraten hat, wusste, was passieren würde. Sonst wäre die Information nichts wert gewesen, und er hätte sich den Gang zu deinem Mann sparen können.«
»Sicher, aber wenn deine Kinder Hunger haben, ist dir egal, ob ein Flittchen seine Strafe bekommt.«
Aha, meine Einschätzung war also korrekt. Ihr reicher und mächtiger Mann will sie bestrafen. Ich sehe mich bereits Horden wilder Männer mit meinen Pinselschäften erstechen, bevor wir für den Rest unseres Lebens quer über das Erdenrund fliehen. Ich komme niemals mehr nach Hause, und meine Lieben darf ich nicht anrufen, weil sie dann selbst in Lebensgefahr wären. Meine Mutter würde darauf warten, dass noch Kunstwerke von mir gefunden würden, die ich kurz vor meinem tragischen Ende aus mir herausgepresst habe, mein Vater würde seine Geschäftstermine um den Jahrestag meines Verschwindens herum koordinieren, und Hartmut und Susanne schmissen eine Rose in den Atlantik und würden ihre erste Tochter Caterina nennen. Mein Ex fickt sich in Los Angeles, wo er einfach wohnen geblieben ist, die Seele aus dem Leib und weiß nicht mal, dass ich verschwunden bin. Alejandro schiebt das Regal wieder vor das Fenster und arbeitet.
Und alles nur, weil ich mir keine Erkältung zuziehen wollte.
»Du bist kein Flittchen«, sage ich, »und eine Strafe hast du auch nicht verdient. Ich rufe jetzt den Zimmerservice an und bestelle uns was zu essen. Dann entwerfen wir einen Schlachtplan. Du hast doch auch Hunger, oder?«
»Mein Magen knurrt deinen schon länger an.«
»Dieses Problem ist leicht zu lösen.« Ich nehme die Tonschale und lege ein paar der Süßigkeiten hinein, die ich in Houmt Souk gekauft habe.
»Nur für den Anfang«, sage ich, reiche ihr die Schale und greife nach dem Telefon.
> Caterina
< Susanne
Die Durian
23.–24. 03. 2011
41° 20′ 34.46″ S, 174° 45′ 33.36″ E
»No, no, no, that’s totally impossible.« Maarten und Natsuko diskutieren bereits seit zwanzig Minuten mit fünf Thailändern im Frühstücksraum. Es geht um eine Kühlbox. Oder vielmehr um deren Inhalt. Es wird sehr verhalten gesprochen, aber die beiden Besitzer des Guesthouse bleiben hart.
Maarten kommt bleich an meinem Tisch vorbei und lächelt gequält. »Die haben eine Durian!« Er schüttelt den Kopf und geht
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