Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
sie ein wenig von mir weg. »Ganz ruhig. Ich hole dir jetzt Taschentücher und ein Glas Wasser, und dann erzählst du mir, was passiert ist. Meine Freundin Susanne sagt: ›Es gibt immer eine Lösung‹, und meistens hat sie damit recht.«
Ich drücke sie behutsam auf das Bett. Die Tagesdecke wickelt sich um Rahime und wird sie so schnell nicht mehr aufstehen lassen.
Ich hole Tempos und Wasser.
»Hamadi hat herausgefunden, dass ich fremdgegangen bin.«
»Du bist fremdgegangen? Zwischen gestern Nachmittag und heute Abend?« Ich reiße die Augen auf.
»Nein, schon letztes Jahr.« Rahime schluchzt erneut. »Hamadi war im Ausland, und ich war in der Zeit oft mit Touristen unterwegs. Weil ich deutsch reden wollte. Das mache ich immer, wenn er auf Reisen ist, damit ich nicht aus der Übung komme. Aber diesmal …«
Die Tränen schütteln sie schon wieder.
Ich setze mich neben sie auf die weiche Matratze und lege meinen Arm um ihre Schultern.
»Diesmal war da ein Mann. Ich habe mich so gut mit ihm verstanden. Wir haben Blödsinn gemacht und ständig miteinander gelacht. Er war einfühlsam und liebevoll. Ich habe mich eben geborgen gefühlt.«
»Aber hast du nicht gesagt, dass dein Mann ähnlich war?«
Sie presst Luft durch halbgeschlossene Lippen. Das bittere Lachen einer enttäuschten Frau. »Ja, charmant war er, mein ›Mann‹. Bis zur Eheschließung. Schon am Morgen nach der Hochzeitsnacht fing er an, sich über mich lustig zu machen. Kaum hatte er mich sicher, wurde er widerlich und gemein. Und eines Tages nicht mehr nur mit Worten.« Sie zeigt auf eine verblasste Narbe zwischen ihrem linken Ohr und ihrer Kinnspitze, die mir zuvor gar nicht aufgefallen war. Das Schlucken fällt mir schwer. Das hier ist nicht einfach nur ein harmloser Freundschaftsdienst.
»Er hat mich in einen Spiegel geworfen. Kannst du dir so was vorstellen? Mein Kiefer war auch noch gebrochen. Als ich aus dem Krankenhaus kam, flehte meine Großmutter mich an, zu ihm zurückzugehen. Er hatte doch so viel Macht. Hätte ich ihn verlassen, wäre das eine große Schande für ihn gewesen, und er hätte seine Macht ausgespielt.«
Ich stelle mir die Situation vor. »Meine Güte«, sage ich, »Tunesien ist doch ein zivilisiertes Land! Wie kann das denn sein?« Ich bekomme Angst.
»So zivilisiert kann ein Land gar nicht sein, dass es darin nicht auch männliche Barbaren gäbe«, sagt Rahime mit kehliger Stimme. Sie faltet ein Taschentuch vor ihrer Nase auf und schnaubt kräftig hinein.
»Wie ging es weiter?«, frage ich.
Rahime knuddelt das Taschentuch zusammen und lässt es aufs Bett sinken. Ihre Hand bleibt darauf liegen. »Um nicht nur in der obersten Regierungsebene Freunde zu haben, hat Hamadi ein paar Methoden angewandt, die nicht legal waren. Ich wusste davon. Also stellte ich ihn vor die Wahl. Entweder verrate ich ihn, oder ich bleibe offiziell als seine Frau bei ihm – doch falls er mich jemals wieder anfassen oder mir etwas zustoßen sollte, würden die Beweise, die ich sicher deponiert hatte, an die entsprechenden Leute gehen.«
Sie nimmt einen Schluck von dem Wasser.
»Ich verstehe.« Meine Kopf-Mutter schweigt. Das ist seltsam, denn was Rahime mir hier offenbart, wäre eine prima Secondhand-Sorrow-Story, auf der ich meine Kunst aufbauen könnte. Dazu noch die Furcht, die sich mittlerweile durch all meine Knochen zieht, da ich eine Frau beherberge, die vor einem gewalttätigen Gatten mit Verbindungen flieht – eine wunderbare Vorlage. Ich horche erneut in mich hinein, aber die Kopf-Mutter scheint ausgezogen zu sein. Ich fühle mich so erleichtert, dass ich unter der Kuppeldecke schweben könnte, würde die Furcht mich nicht an den Boden ketten.
»Ich wollte mit Männern eigentlich gar nichts mehr zu tun haben. Mir reichte meiner, selbst wenn er mich tatsächlich nicht mehr anfasste. Dafür hatte er andere Frauen. Manchmal wohnten sie sogar ein paar Wochen bei uns. Er hoffte, das würde mich demütigen, aber mit der Zeit wurde es mir gleichgültig. Ich empfand seine Machtspielchen nur noch als banal.«
»Unoriginell«, bestätige ich ihre Schilderung.
»Ganz genau!«
Sie nimmt die Hand vom Bett, unter der das zerknuddelte volle Taschentuch ausharrt, und nimmt sich ein neues. Sie weint nicht mehr, aber einmal Schnäuzen ist noch nötig.
Ich frage: »Und dann hast du diesen Mann kennengelernt.«
Rahime legt das zweite volle Tuch neben das erste und räuspert sich. »Ja, einen deutschen Touristen.« Sie legt den Kopf leicht
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