Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
immer um die Wanne herum, die ich vorgestern nach dem Baden noch in aller Ruhe ausgeschöpft habe. Plastikschüssel für Plastikschüssel, Weg für Weg, während im Fernsehen verlotterte Familien unter Aufsicht ihr Haus ausmisteten. Jetzt sind meine Hände eiskalt, und in meiner Kehle klemmt eine halbaufgetaute Lammkeule quer. Diese Art von Aufregung ist nicht schön, denn sie besteht nicht aus Vorfreude wie die Aufregung, wenn man weiß, dass gleich der Sex losgeht oder wenn sich kurz vor dem Kuss die Lippen nähern. Diese Aufregung ist eher wie die Furcht eines Knappen in einem Ritterfilm, wenn er vor den Thron der ihn heimlich liebenden Königin zitiert wird und er noch nicht weiß, ob sein Betragen nun zur Belohnung oder zur ewigen Verbannung führen wird. Oder wenn einen die Schergen der hohen Familie auf dem Kreuzfahrtschiff aus dem Laderaum an Deck zerren – die Sonne verschließt mit ihrem Gleißen die Augen im rußverschmierten Gesicht – und im Salon die Angebetete wartet. Die Seeluft fächert durch die Fenster ihr Kleid auf, sie hebt die Hand, und man weiß nicht, ob sie die Geduld lobt, mit der man so lange schweigend im Bauch des Schiffes auf ihren Ruf gewartet hat, oder ob sie wortlos den Arm ausstreckt und auf das Fenster zeigt, damit ihre Diener einen ins offene Meer werfen können, weil man den Test nicht bestand und das eigene Verhalten zu verhalten war.
Habe ich mich deswegen an die Funkstille gehalten? Weil ich es immer noch besser finde, nichts zu wissen, als in hohem Bogen im eiskalten Atlantik verklappt zu werden?
Yannick will, dass ich nachsehe. Er sitzt mit den Hinterbeinen auf der Tastatur und schabt krallenlos mit den Pfoten auf dem Monitor.
Ich setze mich zu ihm, schiebe ihn von den Tasten und denke mir für einen wunderschönen, ruhigen Augenblick: Was kann schon passieren? Yannick schnurrt. Ich bin ich. Und das ist meine Caterina.
Dann lese ich die Mail … und stürze in den eiskalten Ozean.
Lange sitze ich vor den wenigen Zeilen, die sie geschrieben hat. Sie hat von Kalifornien erfahren. Dem Kalifornien, in dem ich nicht einmal bin.
Du lebst jetzt Deinen Traum, den Du angeblich nicht ohne mich leben könntest.
Sicher, genau so muss das für sie aussehen. Endlich ist die Frau weg, und der Mann macht Halligalli. Mein Gehirn sendet mir Erinnerungen aus den ganz frühen Tagen in unserer WG, die mich innerlich schamrot werden lassen. Es ist erst ein paar Jahre her, aber ich wirke auf dem Streifen wie ein Teenager. »Da laufen sie tatsächlich rum«, schwärmte ich Caterina vor, einfach nur getrieben von der Freude, eine Freundin zu haben, der gegenüber ich kindlich euphorisch sein durfte. »Die Skaterkids aus den Extremsport-Videos. Die Punkrocker. Die Gamedesigner. Die Gangster.« Wie albern das war. Ich habe Videos immer wieder an den Stellen gestoppt, deren Schauplätze ich mal in echt sehen wollte. Die Shopping Mall aus Jackie Brown und den Parkplatz dahinter, auf dem Robert De Niro Bridget Fonda erschießt. Die Nachbarschaft in South Central, in der Ice Cube am Morgen nach dem Rachemord zu Cuba Gooding jr. sagt: »Es wär nichts für dich gewesen.« Der Schrottplatz von Monster Joe, wo sie in Pulp Fiction Jimmys Leiche entsorgen. Natürlich muss Caterina jetzt denken, ich haue in Los Angeles auf den Putz, mit meinen Muskeln von UPS und meiner Baggy Pant am Strand von Venice. Flirte mit Frauen. Gehe jeden Abend auf ein anderes Konzert. Wippe mit ausladenden Schritten durch die Viertel und begrüße meine Nachbarn mit lässigen Gesten.
Sie schreibt, ich soll einfach da bleiben.
Sie schreibt, ich habe sie enttäuscht.
Ihre Sätze sind Bleikugeln in meinem Magen, ummantelt mit Titanium und gefüllt mit Quecksilber. Ich habe ihr niemals meine neue Telefonnummer gemailt, das ist richtig, weil ich auch durch eine solche Nachricht die Funkstille gebrochen hätte, aber ich weiß nicht, was sie mit meiner angeblich anderen Mailadresse hat. Ich habe den Account nicht verändert, lediglich neu angemeldet vor einigen Monaten, weil der Anbieter Zicken machte und beim Einloggen ständig behauptete, die Adresse existiere überhaupt nicht. Los Angeles … von allen Möglichkeiten, was in ihrer Post stehen könnte, hätte ich an diese niemals gedacht. Caterina glaubt, ich habe mit ihr bloß Ballast abgeworfen, um meine Freiheit auszuleben. Sie muss jedes Geturtel zwischen uns, jedes »Miu Miu«, jede Fahrt aufs Land und jedes kleine Monster, das wir auf der Playstation gemeinsam
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