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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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neues Leben.«
    »Fotos?«, fragt Rahime.
    Caterina greift nach ihrer Hand und sagt: »Ich bleibe hier nicht allein.«
    »Dann los«, sagt Khaled, öffnet die Tür des Bungalows, ruft »Houssen!« mit Betonung auf der zweiten Silbe und befiehlt ihm etwas in schnellem arabischen Flüsterton. Der hagere Animateur nickt. Khaled schließt die Tür. »Houssen holt Landrover«, sagt er, »hier vorn ist Tor in der Mauer. Wir fahren und gucken, was Bilel auf Lager hat.«
    Eben war ich noch im Motel an der Avus, und jetzt flüchte ich aus einer tunesischen Hotelanlage, um an der libyschen Grenze eine Identität ab Lager zu kaufen. Draußen knirschen Reifen.

    Houssen begleitet uns nach Ben Guardene. Er hat die Rückbank und den gesamten Laderaum mit Waren vollgestopft. Wasserflaschen. Kartons voller Kekse und Kaffee. Gerollte Isomatten. Luftmatratzen. Planen. Das hat zum einen den Zweck, dass Rahime sich darunter verstecken kann, und zum anderen, dass im Wagen ersichtlich kein Platz mehr ist. Das sei wichtig, erklärt Khaled, denn wäre noch Platz, müsste er jeden Mann mitnehmen, der danach fragt. Diesen Dienst zu verweigern wäre auffälliger, als den Landrover gelb anzustreichen und Flucht! auf das Dach zu pinseln. Die Kartons sehen nicht so aus, als hätte Houssen sie spontan gepackt.
    »Macht ihr das öfter? Sachen zur Grenze bringen?«
    Houssen hebt die Hände, und Caterina übersetzt meinen Satz für den Animateur ins Französische, damit Khaled sich auf die Straße konzentrieren kann. Ich habe die Sprache Rimbauds und Sartres leider niemals gelernt, da ich im Gymnasium Latein gewählt hatte. Houssen hört sich Caterinas Dolmetscherei an, klopft auf die Hilfsgüter und nickt.
    Khaled erklärt, eine Hand am Steuer und die andere zur Untermalung schwingend: »Schiiten, Sunniten, Charidschiten – vergisst du alles. Islam? Islam heißt: alles eins. Islam heißt: Helfen. Gegenseitig helfen.« Ich schaue ihn betroffen an. Er lenkt seine Augen auf das Fach neben der Gangschaltung: »Nimm Nuss.«
    Am Ortsausgang müssen wir halten. Ein Bauarbeiter hebt die Hand. Sein Kollege zieht ein Überlandstromkabel über die Straße und reicht es auf der anderen Seite mit einer Hakenstange zu einem Mastkletterer hinauf. Es gibt keine Absperrung, keine Polizei und keine Sicherheitsvorkehrungen.
    »Das ist eine Falle!«, sage ich und stupse Khaled an der Schulter. Mir wird heiß und kalt. Alle anderen bleiben ruhig. Selbst Caterina.
    »Das sind sicher Männer von Hamadi.« Houssen lacht. Den Namen Hamadi muss man nicht übersetzen.
    »Das ist nicht witzig«, protestiere ich.
    »Ruhig«, brummt Khaled und winkt dem Bauarbeiter, der in beide Richtungen die Autos aufhält.
    »Gleich ziehen sie Kanonen und zerren uns aus dem Wagen«, sage ich und öffne das Handschuhfach, um wenigstens eine Taschenlampe zu finden, die sich als Knüppel eignet.
    Caterina legt mir die Hand auf die Schulter: »Das ist normal, Hartmut. Bleib locker.« Ich knalle das Handschuhfach zu und zeige mit beiden Händen ruckartig nach vorn wie Ryu, wenn er in Street Fighter 2 seinen Feuerball abschießt. »Das ist doch nicht normal, wenn drei Männer einfach so eine Überlandleitung anbringen. Der eine mampft ein Fladenbrot dabei.«
    »Genauso läuft das hier«, sagt Caterina. »Es gibt auch keinen TÜV.«
    »Ja, sicher«, rege ich mich auf, »genauso wenig wie Verkehrsregeln.« Ich zeige auf Khaled: »Seit ich diesen Mann kenne, fährt er ohne Gurt. Ich komme mir die ganze Zeit wie ein Spießer vor, weil ich mich seit Polen anschnalle. Man kann schon froh sein, wenn er überhaupt mal mit seinen Händen lenkt.«
    Der Mastkletterer hat die Stromleitung montiert. Schlaff hängt sie über der Straße. Der Westenmann winkt. Khaled gibt Gas.
    Links und rechts von uns ist jetzt nur noch Steppe. Karge Büsche. Verrostete Autoleichen. Hier und da brennen Müllhaufen oder Reifen. Der süßliche Geruch verschmorten Gummis liegt in der Luft. Caterina zieht ihren Block aus der Tasche und macht eine Bleistiftskizze. Danach bringt sie ein paar Farben an, mit professionell aussehenden Buntstiften von Faber-Castell.
    »Wir sind auf der Flucht, und du malst in aller Ruhe Autogerippe?«
    »Soll ich lieber kreischen? Oder mich mit einer Kalaschnikow aus dem Fenster lehnen?«
    »Nein, aber ein bisschen Panik, ein bisschen Hektik. Das ist doch nicht zu viel verlangt! Was kosten diese, diese … Polychromos da? Allein der Name, Polychromo . Auf der Flucht malt man nicht mit goldgeprägten

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