Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Stiften. Man schaut wirr um sich und hämmert mit Kinderfilzern aufs Blatt, die man im Hotelkiosk an sich gerissen hat.«
»Das könnt ihr alle gut«, sagt Caterina. »Sagen, wie man eigentlich was zu machen hat.«
Khaled gibt Vollgas. Die asphaltierte Straße ist schmal, aber der Rand aus Kies und Schotter noch mal so breit wie die Piste selbst.
»Habt ihr auch kein Tempolimit?«, frage ich.
»Haben wir schon, ist uns egal«, antwortet er. Er macht eine Handbewegung, als würde er eine faule Tomate über seine Schulter werfen: »Gesetze, pah! Gibt nur zwei Gesetze: Ehre Gott. Helfe Mensch. Ah, drei. Mache gutes Geschäft.«
Wir fahren eine Weile durch das Ödland. Rahime streckt vorsichtig den Kopf aus den Planen. Am Horizont liegt ein uraltes Fußballstadion mitten im Nichts, unheimlich wie die alte Avus-Tribüne.
»Bis wann wurde da gespielt?«, frage ich Houssen, und Caterina übersetzt. Houssen antwortet.
»Er sagt, die spielen da noch«, sagt Caterina. Profifußball in einer Betonruine in der Wüste. Meilen nach dem Stadion passieren wir ein einsames, flaches Haus, in dessen Fenster allen Ernstes ein gelber Lichtschlauch auf Internet hinweist. Neben der Steinhütte stehen alte, rostige Ölfässer. Caterina steckt einen der Polychromos in seine Klemmfassung zurück, streicht mir über die Phantomkotelette und sagt: »Ich bin froh, dass du hier bist.«
Ben Guardene ist die letzte Stadt vor der Grenze. Das Flüchtlingslager liegt auf ihrem Territorium. Rahime verschwindet unter den Planen.
»Tanken«, sagt Khaled und lenkt den Landrover in die überfüllten Gassen. Ein Ort wie aus sandstaubfarbenen Ego-Shootern. Djerba und Zarzis wirken wie Hochglanzbroschüren dagegen, obwohl auch dort so viel Zeug zwischen den Hotels liegt, als hätte in Kreuzberg drei Monate lang die Müllabfuhr gestreikt. »Da ist Tankstelle!«, sagt Khaled und zeigt auf ein winziges, fensterloses Haus, vor dem auf dem Boden und in Regalen dreckige Plastikkanister voller Benzin stehen. Für die Mopeds bieten sie Zweiliterportionen an, abgefüllt in alten Fanta-Flaschen. »Libyer«, erklärt Khaled, »bringen Sprit über die Grenze.« Er fährt an den Rand, ruft dem faltigen Verkäufer seinen Tankwunsch zu und nestelt einen Schein aus der Tasche, während der alte Glücksritter die Dieselsuppe in den Landrover kippt. Ein Mann steht neben dem Regal mit den Fanta-Spritflaschen und sieht uns lange an. Khaled lenkt mich ab, indem er mich knufft: »70 Cent. Nicht wie Europa.«
Ich sehe wieder zu den Fanta-Flaschen. Der Mann ist weg. Als wir losfahren und Khaled den Landrover auf die Hauptstraße zurücklotst, folgt uns ein dunkler Transporter.
»Khaled?«
»Ja?«
»Der Bus hinter uns folgt uns seit der Tankstelle.«
Es fällt mir schwer, den Kanisterverschlag so zu nennen. Es macht mich fertig, wie mich die Gesetzlosigkeit fertigmacht. Khaled schaut in den Rückspiegel.
»Seit Tankstelle?«
»Ich habe da einen Mann gesehen, vielleicht war es nichts, aber …«
»Was hat er gemacht?«
»Nichts. Nur geguckt. Unseren Wagen beobachtet.«
Rahime schluchzt unter den Planen. Khaled schweigt und reibt sein linkes Auge. »Houssen!«, ruft er, als säßen wir nicht in einem Auto, sondern als müsste er seinen Befehl durch den Hotelflur bellen. Der schlaksige Gehilfe sitzt sofort stramm. Khaled erklärt ihm sein Vorhaben und wiederholt es für mich auf Deutsch: »Halten wir bei Bank. Testen, ob sie folgen.«
Ich halte Ausschau nach Leuchtreklamen oder Logos eines Geldinstituts, doch Khaled stoppt den Jeep in zweiter Reihe vor einem der verwachsenen Häuser. Der Transporter, der uns folgte, schiebt sich im Verkehr vorbei. Er passiert noch vier, fünf Gebäude, dann quetscht er sich ebenfalls an den Straßenrand.
»Houssen bleibt im Wagen mit Frauen«, sagt Khaled.
»Aber …«, sagt Caterina ängstlich.
Er beruhigt sie: »Nur zwei Schritte. Wir sind hier.«
Ich steige mit Khaled aus dem Wagen. Es riecht nach Sprit, Schweiß und frischen Grillspießen. Ich schaue die Straße hinab durch das Gedränge zum Transporter.
»Nicht gucken«, brummt Khaled, strahlt über das ganze Gesicht und begrüßt den Mann hinter dem Schalter der Bank. Die »Bank« ist eine illegale Wechselstube. Der »Schalter« ein uralter, hellblauer Schreibtisch, von dem die Farbe abblättert. Hinter ihm reicht der Verschlag weit in die Tiefe hinein. Auf zerschlissenen Sofas trinken Männer Kaffee aus Gläsern. Der »Bankdirektor« kennt Khaled und begrüßt ihn mit
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