Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
barfuß gelaufen, und bei der Sauberkeit der Straßen hätte ich auch keine Bedenken gehabt, aber der Boden ist mitten in der Nacht einfach noch zu kalt jetzt im Frühling. Als ich kippe, greife ich an der Theke der Rezeption direkt auf einen Stapel Flyer. Es sind die Flyer für die Ausstellung, die mich letztlich um mein Frühstück bringen wird. Aber das macht nichts. Ich bin berauscht. Mehr von den Gesprächen mit meinen Künstlerkollegen als vom Wein. Das Fraumünster und das Spielzeugmuseum habe ich nun nicht mehr geschafft, aber das stört mich nicht, weil ich heute gespürt habe, wie erleichternd es ist, dem Fluss statt der Pflicht zu folgen. »Schaffen« ist das völlig falsche Wort für das Entdecken der Welt. Ich habe beschlossen, trotz der späten Stunde morgen ganz früh loszufahren und den Tag statt mit den nahe liegenden Sehenswürdigkeiten mit dem ferner gelegenen Freilichtmuseum Ballenberg zu verbringen. Iris hat mir auch davon berichtet, so begeistert, dass ich am liebsten jetzt schon aufbrechen würde. Das Gelände ist eine Stunde von Zürich entfernt. Echte Bauernhöfe, die früher irgendwo im Schweizer Land standen, sind abgetragen und dort wieder errichtet worden. Das allein ist schon so absurd wie liebevoll, aber Iris zitierte, was ich zu der Galeristin gesagt hatte, und unterstrich, dass man dort oben ein Licht zum Malen habe, das ganz automatisch »Frieden durch Farbe« schafft.
Ich bin aufgekratzt. Wenn ich schon nicht auf der Stelle zu den Höfen fahren kann, muss ich trotz der kurzen Nacht, die mir bevorsteht, noch irgendetwas machen. Mein Laptop schaltet sich ein, zeigt mir die Thunderbird-Oberfläche, öffnet eine leere Mail und schreibt die Adresse meines Honigkuchenbärchens in die Empfängerzeile. Ich setze mich davor, erzähle enthusiastisch von meinem Tag und schließe mit unserem »Miu Miu«. Dabei stelle ich mir vor, wie mein Liebster meine Mail nach dem Aufwachen liest und sofort antwortet. Ich sende sie ab. Vielleicht ist er ja noch wach und antwortet mir direkt. Ich klicke auf Empfangen. Eine Mail. Ich bekomme direkt Antwort! Was für ein Tag! Endlich!!!!
Mailer Daemon. Your mail is undeliverable.
Stimmt. Vor Monaten habe ich ihm schon mal geschrieben. Da ist dieselbe Meldung gekommen.
Ich stehe auf, gehe ins Bad und schminke mich ab, ohne mich anzusehen. Ich will mir nicht noch mehr die Stimmung verderben. Der Spiegel streckt mir die Zunge raus. Er mag es nicht, wenn man ihn ignoriert. Aber auch das ignoriere ich. Diese Funkstille muss ein Ende finden! Die Situation macht mich ganz kribbelig. Wozu habe ich mir eine eigene Familie gesucht und mit ihr so viel durchgemacht, wenn sie gleich beim ersten echten Drama auseinanderbricht? Ein bisschen Distanz, ja, meinetwegen, aber es reicht jetzt! Susanne hat die Funkstille ausgerufen. Susanne kann sie auch wieder beenden. Es muss doch möglich sein, sie in der Richtung zu motivieren.
Ich setze mich noch mal vor den Laptop und berichte ihr von der Ausstellung und meinem Plan, nach Ballenberg zu fahren. Außerdem frage ich sie nach Yannick. Vielleicht ist sie noch wach, ruft die Mail ab und schreibt wieder zurück. Je mehr wir uns schreiben, desto eher will sie vielleicht auch wieder mit den Männern in Kontakt treten. Der Plan ist umständlich, aber gut. Es ist Susannes Aufgabe, den Frieden wieder auszurufen. Nach ein paar Minuten teste ich den Empfang. Es kommt nichts zurück. Na ja, sie schläft sicher schon.
Mein Hotelbett plustert sich auf und schlägt die Decke zurück. Ich lasse mich verführen und steige hinein, als das Empfangsgeräusch für eine Mail kommt. Der Laptop ist noch an. Susanne? Womöglich ist sie doch noch auf! Oder schon wieder. Ich lasse meine Beine auf den Boden gleiten und ziehe den Oberkörper nach, doch die Mail ist nicht von Susanne. Ich kenne die Adresse nicht. Wahrscheinlich Spam. Ich klicke auf die Mail, um sie direkt zu löschen.
Princesa, bist Du heil in Djerba angekommen? Ich denke an Dich. Alejandro
Unwillkürlich muss ich lächeln. Ich lösche die Mail nicht, sondern antworte.
Hallo Alejandro,
ich bin noch nicht auf Djerba. Ich bin in Zürich gelandet und fliege von hier aus weiter. Gerade komme ich von einer genialen Ausstellung und aufregenden Gesprächen mit den Künstlern. Du wärst begeistert gewesen.
Ich hoffe, Deinem Rücken geht es wieder besser.
So, ich gehe jetzt ins Bett. Wahrscheinlich siehst Du diese Mail erst, wenn Du wieder wach bist, und so wünsche ich Dir einen schönen
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