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Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane

Titel: Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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dem Großmeister gegenüber vor das quadratische Brett mit den vierundsechzig Feldern und den zweiunddreißig Figuren, als wolle er mit dem gefürchteten Mann keine Schlacht schlagen, sondern eben mal einen Teller Suppe essen.
    Die sogenannte Eröffnung begann schleppend. Der Großmeister ließ Superhirn nach jedem Zug Zeit zur Überlegung. Währenddessen lehnte er sich zurück und betrachtete den Kronleuchter, der ihn tausendmal mehr zu kümmern schien als sein jugendlicher Gegner.
    Superhirn nutzte die Zeit gut. Er vermied jeden überflüssigen Zug, um dem Feind keine Möglichkeit zum Vorantreiben zu geben und ihn vernichtend in seine Linien einbrechen zu lassen. Denn darauf wartete der Großmeister sicherlich!
    »Herr de la Motte schont den Jungen«, flüsterte eine Dame.
    Allerlei Voraussagen wurden jetzt hörbar.
    »Der Junge spielt vorsichtig, aber der Meister wird ihn gleich attackieren, daß die Steine nur so fliegen!«
    »Ja! Herr de la Motte ist bekannt dafür. Er entdeckt jede Blöße. Und dann schlägt er zu.«
    Doch der Großmeister »schlug« zwar, aber nicht zu seinem Vorteil. Das Spiel war immer noch ausgewogen. Zu Beginn des Finales gähnte Herr de la Motte. Er reckte sich dabei wie ein Löwe, der aufgewacht ist und sein Opfer sucht.
    Als er seinen König verschoben hatte, schien er wieder mit offenen Augen zu schlafen. Diesmal blickte er ausdruckslos zum Fenster.
    Da sagte Superhirn: »Herr de la Motte! Wollen Sie ihren letzten Zug nicht noch einmal überdenken?«
    Das war unerhört! Zwar kann man, solange man die Hand noch auf der Figur hat, selbst auf dem neuen Feld noch überlegen, welche Gefahr ihr drohen könnte – und sie dann wieder in die Ausgangsstellung bringen. Doch hat man die Figur gezogen und losgelassen, gibt's bei richtigen Schachturnieren kein Zurück. Nur unter guten Freunden kann man sagen: »Du – das ist doch nicht dein Ernst? Was machst du denn da? Guck dir das noch mal genau an!« Und man gibt dem Freund anstandshalber die Möglichkeit, die schon losgelassene Figur wieder zurückzunehmen.
    Dies hier aber war keine Privatpartie, kein Gnadenakt. Und der Großmeister nahm ja nicht bei dem Jungen Unterricht!
    Die Zuschauer hielten den Atem an. Was würde der Großmeister auf Superhirns Angebot erwidern?
    Herr de la Motte wandte nicht einmal den Kopf Er tat, als sei er taub.
    »Wenn Sie Ihren König so stehen lassen, sind Sie schon jetzt ein toter Mann!« warnte Superhirn. Jetzt warf der Großmeister ein »lässiges Auge« auf seine Stellung. Er lächelte müde. »Mach dir um deinen Kopf Gedanken – nicht um meinen«, murmelte er.
    »Gut!« sagte Superhirn.
    Nach zwölf weiteren Zügen war der Großmeister geschlagen.
    Nun starrte er auf das Brett, als wollte er den ganzen Vorgang im Geiste noch einmal zurückdrehen. Die Zuschauer begriffen zunächst nicht, was da geschehen war.
    »Na, nanu?« stammelte der Bürgermeister. »Wie konnte der Junge den Fehler so früh erkennen und alles andere vorausberechnen?«
    »Das gibt's nicht!« meinte der Hafenkapitän fassungslos.
    Doch der deutsche Rechtsanwalt und der Pfarrer waren sich darüber einig, daß ein hervorragender Schachspieler sehr wohl verzwickte Situationen ziemlich weit vorausberechnen kann, und daß alles mit rechten Dingen zugegangen war.
    Auch der Großmeister de la Motte sah das ein.
    Aber er lächelte, als habe er kaum aufgepaßt, nur, um Superhirn eine Chance zu geben.
    »Fordern Sie Revanche?« fragte Superhirn. »Sie spielen jetzt Schwarz!«
    Die Stille im Saal war nahezu unerträglich. Die Umstehenden glotzten wie im Traum auf das Brett. Ebenso forsch wie scheinbar lässig, in Wahrheit aber merklich angespannt, beobachtete Herr de la Motte jetzt seine Chancen. Aber dann setzte er seine Dame unvorsichtig, versuchte mit dem Springer die Rettung, was ihm jedoch nicht gelang. – und Superhirn schlug ihn nach weiteren acht Zügen. Mit zitternden Fingern zündete sich der Großmeister, Mitglied des Weltschachbundes, eine Zigarette an. Verloren? Er? Er sollte gegen einen Jungen zwei Partien verloren haben? Schweiß trat auf seine Stirn. Als die starken Scheinwerfer auf den Tisch gerichtet wurden und die Fernsehkamera heranfuhr, winkte er unwillig ab.
    Welche Blamage für den berühmten Mann!
    Doch er konnte nicht verhindern, daß er als Verlierer aufgenommen und interviewt wurde. Superhirn dagegen als Sieger. Von allen Seiten prasselten nun Fragen auf die beiden herab. Der Stadtfotograf machte hastig eine Aufnahme nach

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