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Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane

Titel: Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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festgenommen oder verhört oder ins Ortsgefängnis abgeführt. Gedämpftes, keineswegs unfreundliches Stimmengewirr schlug ihm entgegen. Der Ratssaal war rammelvoll. Kaum konnte man den mit grünem Filz bedeckten Tisch übersehen. Auf einer Klappleiter stand der Stadtfotograf vor der altmodisch hohen Fensterfront. Trotz des hellen Sommernachmittags brannte der riesige Kronleuchter. Außerdem hatte man Lampen an Kabelgerüsten in die Ecken gestellt. Männer in Arbeitshemden liefen zwischen Ratssaal und Nebenräumen hin und her. Sie riefen sich technische Ausdrücke zu, aus denen hervorging, daß sie vom Fernsehen waren.
    »Unser Gast«, grinste der Polizist, Superhirn durch die Reihen der Erwachsenen geleitend. Ein paar Leute, klatschten.
    Dann war es plötzlich atemberaubend still.
    Wie durch einen Schleier erkannte Superhirn den Bürgermeister, den Lehrer, den Pfarrer, sogar den deutschen Rechtsanwalt, alle, die er gestern im Schach auf eine für sie so verblüffende Weise geschlagen hatte; auch den Hafenkapitän und den Chef der Polizei. Doch ihre Blicke waren nicht ärgerlich, sondern eher wohlwollend, auf alle Fälle jedoch gespannt. Überhaupt lag »knisternde« Erwartung über dem langen Tisch unter dem hellen Kronleuchter. Unverhohlene Neugier ging von den Frauen und Männern des Festkomitees aus, ebenso von allen anderen, die die Schachleidenschaft hierhergetrieben hatte – und die nun froh waren, noch Einlaß gefunden zu haben.
    Die Leistungen des flachshaarigen, spindeldürren Jungen hatten sich mit geheimnisvoller Schnelligkeit herumgesprochen. Zudem war ja von der Festleitung die Aufforderung an jeden Schachbegeisterten ergangen, ihn zu einer Partie zu fordern.
    »Ist das der Wunderknabe?« hörte Superhirn jemand raunen.
    Der Bürgermeister antwortete laut und fügte gleich eine Ansprache an.
    »Das ist er. Marcel, Neffe des Grafen Monton, der die Villa am Steilhang besitzt. Der langen Ansässigkeit dieses Geschlechts verdanken wir es mit, daß wir diese Feier begehen können. Leider ist Marcels Onkel geschäftlich in Amerika, doch er hat uns eine – wie sich herausstellte – besondere Ferienüberraschung gemacht: seinen Neffen, das Schachwunder. Er hat gestern mich und drei der besten Leute des Schachclubs Monton geschlagen. Noch gestern abend telefonierte ich mit dem Departementsbund. Ja ...«
    Er schwieg und deutete auf die eine Längsseite des grünen Sitzungstisches: »Aus dem Departementsbund ist Monsieur Paul de la Motte hervorgegangen.«
    »De la Motte?« rief eine Frau vom Festkomitee. Es klang wie ein Jubelschrei. »Der französische Großmeister im Schach? Mitglied des Weltschachbundes, der mit Spassky gespielt hat?«
    Superhirn wurde an die andere Längsseite des Tisches geschoben. Hinter einem großen Schachbrett sah er sich gegenüber einen sportlich gekleideten Mann mit auffallend unbewegtem Gesicht in einem altmodischen Ratsstuhl lehnen: Herrn de la Motte, den Großmeister ... der sogar Aussicht auf die Weltmeisterschaft hatte. Superhirn kannte ihn von Zeitungsfotos und aus Fernsehsendungen. Er war enttäuscht. Die Augen des Großmeisters wirkten wässerig. Der ganze Mann sah eigentlich recht unbedeutend aus. Doch im nächsten Moment war sich Superhirn darüber klar, daß er sich getäuscht hatte: de la Motte beeindruckte nichts. Weder die Umgebung noch die Ansprache des Bürgermeisters. Noch nicht mal das Volksfest in Monton. Das merkte man an seiner unsagbar gelangweilten Miene. Auch, daß Superhirn noch ein Junge war, kümmerte ihn nicht.
    Denn er sagte, und zwar mit tonloser Stimme: »Jugendliche Schachwunder gibt's viele. Ganz wenige entsprechen den Erwartungen. Die meisten bleiben später in einer gewissen Durchschnittlichkeit stehen.«
    Superhirn hatte sich inzwischen »gefangen«.
    »Warum sind Sie dann hergekommen?« fragte er genauso ungerührt. »Schach ist nur ein Neben-Hobby von mir. Ich interessiere mich eigentlich nur für Weltraumfahrt!«
    »Und doch hast du deine geübten Gegner erstaunlich geschickt geschlagen, wie mir der Bürgermeister telefonisch mitteilte.« Der berühmte Schachspieler blickte auf das Brett. »Das ist der Grund, warum ich jetzt hier bin. Ich will mich davon überzeugen, ob dir gestern der Zufall half oder ob man in dir eine Entdeckung gemacht hat! Setz dich! Wir spielen eine Partie.«
    Ein Raunen der Anerkennung, ja, Bewunderung ging durch den Saal. Superhirn nahm die Einladung an. Ohne Scheu, ohne Befangenheit oder Verlegenheit. Er setzte sich

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