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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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gelangen.“
    Die Erwähnung Ashkas erregte Elspeth, doch ihr fiel auf, daß seine Stimme noch trauriger klang, als er den Namen aussprach. Darren ging, um irgendein kleines eßbares Tier zu erjagen, und Moir suchte in einer anderen Richtung nach eßbaren Wurzeln. Elspeth setzte sich neben Iondai und genoß mit ihm den Blick auf die Landschaft dieser Welt.
    „Ist Ashka mit dem Schiff abgefahren? Oder ist er mit Gorstein hiergeblieben?“
    „Er ist geblieben“, erwiderte der Seher still, „aber für sich allein.“
    Trauer umfing sie. „Ist er tot?“
    „Ja.“
    Wind trocknete ihre Augen, zerstrubbelte ihr Haar und blies ihr alle Wärme aus dem Leib. Sie starrte auf ihre Hände und auf den Erdboden und dachte an den alten Mann – wie verzweifelt unfair irgend etwas, das Schicksal oder das Orakel, zu ihm gewesen sei. „Hat Gorstein ihn getötet?“ fragte sie.
    „Ich weiß es nicht“, antwortete Iondai.
    „Wahrscheinlich war er’s.“
    „Er wurde von einer Feuerwaffe getroffen. Sein Körper war schwarz verbrannt, als wir ihn fanden.“
    „Gorstein muß es gewesen sein. So ein miserabler Schweinehund.“
    Und jetzt war er hinter ihr her und würde nach dem, was sie getan hatte, ebensowenig – wenn nicht noch weniger – Bedenken haben, sie umzubringen. Sie dachte an seinen Blick, gestern bei der Unterredung, an die Aggressivität, an die Oberflächlichkeit dieses Mannes – eines Mannes, dessen Antriebskräfte so dicht unter der Oberfläche seiner Persönlichkeit lagen, daß die Juwelen in ihrer Brust ebensogut ein Grund sein konnten, sie zu jagen, wie ihr Mordanschlag auf seine Monitoren. Sie wurden alle vom Druck der Wünsche getrieben – dem Wunsch zu verstehen und zu bewerten, dem Wunsch zu töten und zu überleben; doch Gorstein und Elspeth strebten vielleicht nach greifbareren Zielen, reagierten auf symbolischere, innerlichere Antriebe – Erde und Stein. Ja, Erde und Stein, dachte sie. Die Stimme der Erde und der Glanz des Steines – in dem Erdsymbol in jener Höhle finde ich das Verstehen von etwas im Grunde sehr Einfachem; aber das Eigentliche wird der Prozeß der Entdeckung sein, das Angehen gegen die Kräfte der Natur. Gorstein wird, wenn er mich jemals bezwingt, nur die Diamanten nehmen und wird damit – in seinen Augen – mich genommen haben. Mein Motiv ist Verzweiflung – was ist seins? Wenn der innere Drang, meine Seele zu besitzen, ihn hinter mir hertreibt … wenn er wirklich hinter mir her ist … dann habe ich kaum eine Chance. Ich fühle nicht die Notwendigkeit, mich gegen das, was er will, zu wehren. Doch wenn er mir auch noch das Leben nimmt? Wenn ich erst alle seine Gedanken weiß, die hinter seinem Tun stehen, dann könnte es zu spät sein.
    Ihre Grübeleien verschwammen zu einem grauen Chaos.
    Vorübergehend war sie wütend auf sich selbst. Warum kann ich gerade dann nie klar und übersichtlich denken, wenn es am notwendigsten ist?
    Darren kam zurück; er hatte nur eine einzige Beute: ein schlangenartiges Tier ohne klar erkennbaren Kopf oder Schwanz mit einer Reihe pickelähnlicher Saugnäpfe an der Unterseite. Er häutete es ab und schlug mit seinem Messer Feuer aus einem Stein. Im Schutze des Felsens schnitt er das Beutetier in Stücke und röstete das Fleisch. Etwas später kam Moir mit einigen Wurzeln, die sie im Wasser eines nahen Tümpels säuberte. Während der Zubereitung des Mahles ging Elspeth zum Rande der Klippe, setzte sich dort hin und durchmusterte die Landschaft nach einem Zeichen von Gorstein.
    Was konnte man wissen – vielleicht war er dicht hinter ihr oder lauerte etwas weiter oben in den Bergen.
     
    Als sie gegessen hatten, bis sie nicht mehr konnten, stieg auch schon die Nacht am grauen Himmel auf, und sie entschlossen sich, im Schutz der Felsen zu schlafen; früh am nächsten Morgen wollten sie dann über die schwierigere Route, die sie von unten sehen konnten, rasch und entschlossen in die Berge steigen; denn, so überlegten sie, wenn Gorstein tatsächlich vor ihnen war und auf sie wartete, dann würde er bei den leichteren Pfaden warten.
    Elspeth rollte sich unter einem leicht überhängenden Fels zusammen und schloß die Augen. Sie wartete auf das Kommen des Schlafes und genoß den Frieden der völligen Dunkelheit. Ein paar Minuten lag sie im Halbschlummer und horchte auf die Geräusche der Nacht, die dumpfen Schritte von Tieren und die schrillen Schreie, die in schnellem Wechsel über den Bergen hin und wider klangen und dann für längere Zeit

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