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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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instinktiv, daß er selbst daran glaubte.
    Zeit und Symbole. Symbole und Zeit. Gab es da eine R e lation? Wie konnte es keine geben? Wie konnte ein kompl i zierter Satz von Symbolen nach siebentausend Jahren Du n kelheit wieder auftauchen, wenn da nicht eine Beziehung zu der gewaltigen A n omalität des Aeran vorhanden war? Und wenn diese Symbole wieder auftauchten, war das nicht ein Hinweis darauf, daß auch im Irland der Großsteingräber-Kultur eine Zeit-Anomalie besta n den hatte?
    Sie durchdachte dieses Problem nach allen Seiten und verfolgte diesen gedanklichen Prozeß fast gleichgültig, fast ohne innere Anteilnahme. Baute sich ihre Logik ebenso ab wie ihr Gedäch t nis? Die Antwort auf diese Frage war doch klar: Zeit und Symbolismus des Boyne-Tals waren mit d e nen des Aeran verkettet, w a ren aufeinander bezogen – ohne eine Veränderung der lokalen Zeit hätte es diese Symbole nicht gegeben, weder damals in der Morgendämmerung der Erden-Kultur noch jetzt in der neuen Morgendämmerung.
    Und warum konnte sie so viele Symbole erklären (oder bild e te sich wenigstens ein, daß sie es könnte), aber nicht jenes eine? Warum glaubte sie, alle diese einfacheren Orn a mente e r klären zu können, die abstrakten Darstellungen des Erdstromes im Stein, Wasser und Wind, die Rhomben, Kre i se, Dreiecke, konzentr i schen Spiralen, Doppelspiralen … doch nicht jenes eine Muster, die drei Doppelspiralen, die sich in die Mauer ihres Geistes eingruben, wie die Hand e i nes unbekannten Künstlers sie vor einer Million Lebensze i ten in die Grabwand von Newgrange eingegr a ben hatte?
    Wie magisch war dieses Sgraffitto, wie erregend das Symbol, wie tief hatte es die berührt, die es anschauten, g e duckt in dunkler Felsenkammer, umschlossen von Steinpla t ten und dem schweren Erdgeruch? Fiel der Schein der Fa c keln darauf, so ve r stummten alle. Damals, als man die Erde noch als seine Heimat liebte, hatten vielleicht tausend Gen e rationen den Erdwind sta u nend betrachtet und sich gefragt: Was mag das bedeuten? Wer hat das eingemeißelt? Was hat er sich dabei gedacht, als er am Felsen hämmerte und ein Kunstwerk hinte r ließ, das einem ins Hirn geht und den Sinn für prähistorische Zeiten weckt wie kein anderes Symbol, kein anderes Gebilde aus Fels und Himmel?
    Etwas, das Ashka am Nachmittag gesagt hatte, fiel ihr wieder ein: Sie hatten (nur kurz) über die Symbole gespr o chen. In Elspeths Kopf saßen sie fest, doch was Ashka von ihnen wu ß te, reichte gerade aus, um ihn zu verunsichern. Aber den Er d wind hatte er gesehen, und auch er hatte eine seltsame, aufrü h rende Unruhe verspürt – ein psycho-parasitäres Symptom? – ein ungemütliches Gefühl von Ve r trautheit und unwillkommener Ve r zückung, als seine Augen den komplizierten Spiralen folgten. Vielleicht, hatte er l ä chelnd gesagt, vielleicht war j e ner riesige Tumulus nicht errichtet worden, um Menschen zu bestatten, so n dern um den Erdwind zu bestatten. Ein Denkmal vielleicht oder ein Gefängnis … ein Symbol, das sie jahrelang gebraucht ha t ten, war vielleicht hier, einmal nur, für die Ewigkeit eing e meißelt und dann weggeschlossen worden.
    Damals in Newgrange, als die Symbole eingemeißelt wurden, fiel am Tage der Wintersonnenwende das Licht der aufgehe n den Sonne in die Kammer mit dem Erdwind-Symbol: Sonne n strahlen griffen über hundert Fuß tief in die Erde und berührten das Grab der Spirale an diesem einen Tag im Jahr.
    So verehrt? Oder so gefürchtet?
    Der Gedanke gefiel ihr. Der zerfallende Tumulus im U r wald, in den Moir sie hineingeführt hatte, um Zugang zur Feuer-Halle zu gewinnen … dort war auch eine Doppelsp i rale eingemeißelt. Dieselbe? Der Erdwind? Bei der Me n schenasche, die sie gefu n den hatte, mochte es sich hier und in Newgrange um eine zweite Bestattung handeln … oder um eine Opferg a be.
    In den Tumulus auf dem Aeran drang niemals Licht; aber die Wintersonnenwende spielte bei allen megalithischen Kulturen der Erde eine besondere Rolle, die sich nicht auf eine bestim m te Gegend beschränkte.
    Und bei den Aerani stand der Erdwind, wie sie entdeckt ha t te, zu etwas anderem in Beziehung – zu ihrem Orakel, zu den brause n den Winden aus den Bergen, zu dem ‚Lied der Erde’, das die Schau der Zukunft in den Geist derer hinei n trug, die geschult waren, das Orakel zu befragen.
    Welche Tatsache – so fragte sie sich, als die mit halbem Ohr auf die Diskussion der Aerani hörte und dabei in Geda n ken durch das

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