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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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Bedeutung? Hugin, hol Wein.«
    Mit einem Becher in den Händen kniete Hugin neben Morgon nieder. Das Gesicht des Jungen wirkte eingefallen, die Haut unter den Augen war beschattet vor Müdigkeit. Dennoch gab sein Gesicht Morgon ein Lächeln zurück. Die kleine Hütte war grau von Rauch und Qualm. Durch das runde Loch im Dach konnte Morgon nicht sehen, ob Tag oder Nacht war. Hugin öffnete einen Moment die Tür; messerscharfe Winde fuhren herein, spien Schnee. Die Welt draußen war schwarz. Der Schweiß auf Morgons Armen gefror. Er begann wieder zu frösteln, und Hugin schloß die Tür.
    »Noch einmal«, sagte Har leise und glitt in Morgons Seele hinein wie eine Katze, während Morgon überrascht nach der Erinnerung seiner Lehren suchte.
    Und wieder begannen die langen Stunden, in denen Morgon entweder versuchte, seine Seele Hars forschenden Fingern zu entziehen oder einen Weg in Hars verschlossenen Geist zu finden. Hugin saß still wie ein Schatten neben ihm. Manchmal sah Morgon ihn schlafen, auf den Steinen ausgestreckt. Manchmal, wenn er sich Har erschöpft entzog, blickten die violetten Augen zu ihm auf, und er sah durch sie hindurch das Bild einer Vesta. Dann plötzlich erblickte er an der Stelle, wo Hugin saß, eine Vesta und wußte nachher nicht, ob Hugin ihm den Gedanken eingegeben hatte oder ob die Gestalt des Jungen hin und her wechselte. Einmal blickte er über das Feuer hinüber und sah nicht Har, sondern einen mageren, grauen Wolf mit gelben, lächelnden Augen.
    Mit den Handballen rieb er sich die Augen, und Har kehrte
    zurück.
    »Noch einmal«, sagte er.
    »Nein«, flüsterte Morgon, der spürte, wie sein Geist und sein Körper ihm entglitten. »Nein.«
    »Dann geht.«
    »Nein.«
    Der Qualm hüllte ihn ein wie Wind. Ihm war, als blickte er aus der Ferne auf sich nieder, als hätte der Mann, der halb blind war, zu schwach, sich zu regen, nichts mit ihm zu tun. Hugin und Har schienen Gestalten aus Rauch, bald König und Zauberers Sohn, bald Wolf und Vesta. Unbewegt beobachteten sie ihn, warteten. Der Wolf rückte ihm näher und näher, umkreiste ihn, Feuer in den Augen, bis er neben ihm stand.
    Morgon spürte, wie seine Hände geöffnet wurden und mit Asche ein Muster in seine Handteller gezeichnet wurde.
    Dann sagte der Wolf: »Jetzt!«
    Der Schmerz brachte ihn mit einem Schlag zu sich selbst zurück. Er öffnete die Augen und zwinkerte die Tränen salzigen Schweißes weg, die an seinen Wimpern hingen. Die violetten Augen der Vesta blickten tief in die seinen. Aus dem Augenwinkel sah er das Blitzen einer Messerklinge; ein Schrei riß ihm die ausgetrocknete Kehle auf. Er wirbelte herum, floh vor dem Rauch, der Qual seiner Müdigkeit, dem brennenden Schmerz des Messers und stolperte in die Weh, die jenseits der Vestaaugen lag.
    Die Steinmauern verschmolzen mit der farblosen Linie des winterlichen Horizonts. Allein stand er in einer Einsamkeit von Schnee und Himmel, lauschte den Winden, entwirrte das Netz der Gerüche, das sie flatternd mit sich trugen. Irgendwo in und hinter sich spürte er einen Kampf, einen chaotischen Wirbel von Gedanken; er mied ihn, strebte fort von ihm, um tiefer in die wohltuende Stille zu gelangen, die er entdeckt hatte. Fauchend fuhren die Winde aus dem grellen Blau des Himmels und brachten Schattierungen und Abstufungen von Gerüchen mit, denen er plötzlich Namen geben konnte: Wasser, Hase, Wolf, Fichte, Vesta. Er hörte die hohen, wimmernden Stimmen der
    Winde, kannte ihre Kraft, spürte sie jedoch nur undeutlich. Die furchteinflößenden Stimmen des Chaos, vor denen er zu fliehen versuchte, wurden schwächer, vermischten sich mit dem sinnlosen Heulen des Sturms. Tief sog er die sau-bere Luft des Winters ein, merkte, wie die Stimmen verklan-gen. Der Wind zog seine Bahn durch seinen Körper, strömte durch seine Adern, stählte seine Muskeln, bis auch ihnen die unermüdliche Kraft des Windes eigen war. Er spürte, wie der Wind gegen ihn anlief, ihn herausforderte; und die spielenden Muskeln seines Körpers ballten sich plötzlich zu einem Wett-lauf mit dem Wind zusammen.
    Die Steine erhoben sich aus einer unbekannten Welt. Verwirrt lief er im Kreis, suchte einen Fluchtweg, als er die stillen Gestalten sah, die ihn beobachteten. Das Feuer fauchte ihn knisternd an. Er schreckte davor zurück und wandte sich um. Seine Hörner kratzten an Stein. Da gewahrte er mit einem Ausbruch von Panik, daß er Hörner hatte. Er fand sich in seiner eigenen Gestalt wieder, wie er zitternd vor Har

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