Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
unter der Einwirkung dieser furchtbaren Macht zerbrochen ist -«
»Wer brach wessen Macht? Zum erstenmal seit sieben Jahrhunderten sind die Zauberer frei -«
»Weil der Sternenträger tot ist! Weil der, der ihn tötete, nun ihre Macht nicht mehr zu fürchten braucht.«
»Glaubt Ihr das? Genau das sagen Heureu und Rork Umber.
Der Zauberer Aloil stand sieben Jahrhunderte lang als einsamer Baum auf der Ebene von Königsmund, bis ich sah, wie er wieder er selbst wurde und verwirrt war über seine Freiheit. Er sprach nur kurz zu mir; er wußte nicht, warum er befreit worden war; er hatte niemals vom Sternenträger gehört. Er hatte totenbleiches Haar und Augen, die seine eigene Vernichtung mitangesehen hatten. Ich fragte ihn, wohin er gehen würde, und er lachte nur und verschwand. Einige Tage später dann überbrachten Händler aus Hed die schreckliche Nachricht von Morgons Qualen, von dem Übergang der Landherrschaft an seinen Bruder an dem Tag, an dem Aloil befreit worden war. Ich habe nie geglaubt, daß Morgon tot ist.«
»Was - was ist dann von ihm übrig? Er hat alles verloren, was er liebte, er hat seinen eigenen Namen verloren. Als Borst – als Borst von An noch zu seinen Lebzeiten seine Landherrschaft verlor, gab er sich selbst den Tod. Er konnte nicht -«
»Ich lebte mit Morgon, als er namenlos war. Er fand seinen Namen wieder in den Sternen, die er trägt. Ich werde nicht glauben, daß er tot ist.«
»Warum nicht?«
»Weil das nicht die Lösung ist, die er suchte.«
Sie starrte ihn ungläubig an.
»Ihr glaubt nicht, daß er eine Wahl hatte?«
»Nein. Er ist der Sternenträger. Ich glaube, daß er zum Leben bestimmt war.«
»So wie Ihr das sagt, klingt es mehr wie ein Verhängnis«, flüsterte sie.
Er ließ ihre Hände los und stand auf, ging zum Fenster, von dem sie auf die namenlose Stadt hinausgeblickt hatte.
»Vielleicht. Aber ich würde diesen Bauern aus Hed nicht unterschätzen.« Er drehte sich plötzlich um. »Wollt Ihr mit mir zur Ebene von Königsmund reiten, um Euch die alte Stadt anzusehen?«
»Jetzt? Ich dachte, Ihr müßtet einen Krieg führen.«
Ein Lächeln erwärmte sein schmales Gesicht.
»So war es auch, bis ich Euer Schiff sichtete. Ihr habt mir eine Gnadenfrist bis zum Morgengrauen gegeben, wenn ich Euch und Eure Begleitung aus Caerweddin hinausgeleite. Sie ist kein sicherer Ort, diese Ebene. Heureus Frau wurde dort getötet. Keiner außer mir geht jetzt noch dort hinaus, und selbst ich bin stets auf der Hut. Aber es könnte sein, daß Ihr etwas findet - einen Stein, ein geborstenes Kunstwerk -, das zu Euch spricht.«
Sie ritt mit ihm durch Caerweddin, den steilen, felsigen Hang hinauf zu der Ebene über dem Meer. Hohltönend pfiffen die Winde darüber hin, jagten einander zwischen den massigen, starren Steinen, die seit zahllosen Jahrhunderten tief verwurzelt in dieser Erde standen. Impulsiv legte Rendel ihre Hand auf einen der Steine, als sie vom Pferd gestiegen war; klar und glatt lag er unter ihrer Hand, von smaragdgrünen Adern durchzogen.
»Wie schön er ist.« Sie blickte plötzlich zu Astrin auf. »Daher kommen die Steine Eures Hauses.«
»Ja. Die Muster, die diese Steine formten, sind hoffnungslos zerstört. Es war beinahe unmöglich, die Steine von der Stelle zu bringen, doch der König, der sie forttrug, Galil Ymris, war ein hartnäckiger Mann.«
Unvermittelt beugte er sich nieder, suchte im hohen Gras, das in der Spalte zwischen zwei Steinen wucherte, und richtete sich, etwas in der Hand haltend, wieder auf. Er wischte es sauber: Sternenblau funkelte es im Sonnenlicht. Sie blickte darauf nieder.
»Was ist das?«
»Ich weiß es nicht. Ein Stück geschliffenes Glas, ein Stein. Es ist hier manchmal schwer zu sagen, was die Dinge genau sind.« Er ließ den Scherben in ihre Hand fallen und schloß mit leichtem Druck ihre Finger darum. »Behaltet es.«
Sie drehte den Scherben im Licht, so daß er Feuer sprühte.
»Ihr liebt diese großen alten Steine trotz aller Gefahr.«
»Ja. Das macht mich befremdlich in Ymris. Lieber würde ich wie ein alter einsiedlerischer Gelehrter in vergessenen Dingen graben, als sieben Kriegsschiffe in die Schlacht führen. Doch der Krieg an den südlichen Küsten ist eine alte Wunde, die immer weiter schwärt und niemals zu heilen scheint. Deshalb braucht Heureu mich dort, selbst wenn ich ihm begreiflich zu machen versuche, daß ich hier, an diesem Ort eine lebenswichtige Antwort schmecken und riechen und fühlen kann. Und Ihr? Was
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