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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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brauchte ein wenig, um diese Informationen zu verdauen. »Du hast in der Schule nie darüber gesprochen.«
    »Nicht mit dir, das ist wahr.«
    Aber garantiert mit Eric. Für einen Moment flackerte die alte Eifersucht wieder auf. Doch jetzt saß Emily mit ihm hier. Sprach mit ihm.
    »Wie steht es mit dir? Hast du Geschwister?«, wollte sie wissen.
    »Ja. Einen Bruder. Er ist fünf Jahre älter als ich und schon ausgezogen.«
    »Versteht ihr euch gut?«
    »Ja, sehr.« Nick dachte an Finn, versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, ihn zu verlieren, hörte aber sofort wieder damit auf. Er wusste nicht, wie Emily das ertragen konnte.
    »Leider ist er mit meinen Eltern zerstritten. Mit meinem Vater, um genau zu sein. Sie reden nicht mehr miteinander.«
    »Wieso?«
    Nick holte tief Luft. »Also – mein Vater wollte immer Arzt werden, aber seine Eltern konnten es sich nicht leisten, ihn studieren zu lassen. Jetzt ist er Pfleger im Princess Grace-Hospital. Ich weiß nicht, ob er sich irgendwann einmal damit abfinden wird. Jedenfalls stand immer fest, dass dann wenigstens Finn Arzt werden musste.«
    »Aber der wollte nicht.«
    »Zuerst schon, er hat gebüffelt wie irre und seine Noten wären wahrscheinlich sogar gut genug gewesen. Aber dann hat er es sich anders überlegt. Er hat Becca kennengelernt und zack, war es vorbei mit der Medizin.«
    Emily sah Nick aus den Augenwinkeln heraus an. »Warum denn das?«
    »Becca hatte gerade ein Tattoostudio übernommen. Finn war sofort Feuer und Flamme. Er belegte ein paar Kurse und jetzt tätowiert und pierct er wie ein Weltmeister. Mein Vater hat gesagt, er würde nie wieder ein Wort mit ihm sprechen.«
    Auf Emilys Gesicht tauchte ein winziges Lächeln auf, verschwand aber sofort wieder.
    »Musst jetzt du Arzt werden?«
    Sie hatte Dad durchschaut, ohne ihn zu kennen.
    »Na ja, es würde ihn freuen und mich interessiert es.«
    Endlich drehte sie den Kopf ganz zu ihm und sah ihn an, als wollte sie prüfen, ob er auch die Wahrheit sagte.
    »Das heißt, du bist deinem Bruder nicht böse, dass du jetzt für die Wünsche deines Vaters zuständig bist?«
    Statt einer Antwort drehte Nick sich herum und schob seinen Zopf aus dem Nacken. »Nein. Ich bin ihm überhaupt nicht böse.«
    Obwohl er sie sich kaum je ansah, wusste Nick ganz genau, wie die beiden fliegenden Raben aussahen, die Finn ihm knapp unterhalb des Haaransatzes eintätowiert hatte. Wie einen Lufthauch fühlte er Emilys Fingerspitzen auf dem Tattoo. Er schluckte.
    »Wieso Raben?«
    »Anfangs war es deshalb, weil wir beide so dunkles Haar haben, dass Mum uns immer ›die Rabenbrüder‹ genannt hat. Aber Finn sagt, sie bringen auch Glück, und das können wir beide brauchen. Außerdem sind sie so etwas wie … ein Siegel. Ein Zeichen dafür, dass wir zusammengehören.«
    Emily zog sanft ihre Hand zurück, sehr zu Nicks Bedauern. Sein Zopf glitt wieder an den angestammten Platz.
    »Er versteht etwas davon, dein Bruder. Sieht sehr schön aus.«
    Die Installation näherte sich langsam ihrem Ende. Emily ging noch in die Küche, eine Flasche Ginger Ale und zwei Gläser holen. Als sie zurückkam, wurde der Bildschirm gerade dunkel.
    »Muss das so sein?«
    »Ja. Ich dachte auch erst, da stimmt etwas nicht. Warte noch ein bisschen.«
    Schwärze. Schwärze. Schwärze. Dann tauchten die Buchstaben auf, rot und pulsierend.
    »Tritt ein.
    Oder kehr um.
    Dies ist Erebos.«
    »Na dann«, sagte Emily und klickte auf ›Tritt ein‹.
    Dunkler Wald, Mondschein. In der Mitte der Lichtung zusammengekauert der Namenlose. Er sah genauso aus wie Nicks Spielfigur, bevor sie zu Sarius geworden war. Nick kämpfte gegen einen neuen Anflug von Wehmut an, während er Emily zusah, wie sie sich mit der Steuerung ihres Namenlosen vertraut machte.
    »Ihn herumlaufen lassen, ist einfach«, sagte sie. »Kann er sonst noch etwas?«
    »Ja! Klettern, kämpfen … alles! Später gibt es dann Tastenkürzel für die speziellen Fähigkeiten, aber das hat noch Zeit.«
    Emily ließ ihren Namenlosen die Lichtung auf und ab gehen. Sie besah sich alles sehr genau, bevor sie sich für eine Marschrichtung entschied.
    »Ich denke, ich gehe dorthin, wo der Wald am wenigsten dicht ist, ich muss es mir ja nicht schwerer machen als nötig.«
    Zweige knackten, der Wind rauschte in den Wipfeln. Wäre es nach Nick gegangen, hätte Emily ihren Spielcharakter viel schneller durch diese erste Sequenz jagen müssen, doch er gab sich Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Sie stellte sich

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