Erebos
fragt und es gibt logische, richtige Antworten. Hast du eine Ahnung, wie das funktionieren könnte?«
»Keine Spur. Erst dachte ich wirklich, da sitzt einer an einem zentralen Terminal und mimt den Boten oder diesen toten Typen. Aber das funktioniert nicht. Emily sagt, es spielen massenhaft Leute mit. Was schätzt du, wie viele?«
Nick dachte an den Arenakampf. Und da waren noch nicht einmal alle dabei gewesen. »Ungefähr dreihundert oder vierhundert. Vielleicht auch mehr.«
»Eben. Da bräuchte man ein ganzes Heer an Boten, die dann auch noch die jeweiligen Aufträge und Querverbindungen im Kopf haben müssten. Merkleistungen dieser Art beherrscht ein Computer zigtausendmal besser als jeder Mensch, aber ein komplexes Gespräch ist normalerweise nicht seine Sache.« Victors Teetasse war leer, er schenkte sich nach und füllte auch bei Nick wieder auf.
»Erzähl mir mal etwas von den Aufträgen. Emily musste gestern eine Dreizehnjährige beobachten, die Pfefferspray kaufen ging. Sie hat das Mädchen nicht gekannt und umgekehrt, war wahrscheinlich aus einer anderen Schule. Aber dieser Bote hat Emily mit einem Foto und dem Namen des Mädchens versorgt, außerdem mit der Uhrzeit des Einkaufs und der Adresse des Ladens. Irre, echt. Wie waren denn deine Aufträge so? Irgendetwas, das ein Muster ergeben könnte?«
Nick dachte angestrengt nach. »Nein, leider. Ich musste einmal eine Holzkiste von Totteridge zum Dollis Brook Viaduct bringen. Die Kiste ist später an unserer Schule aufgetaucht, da war eine Pistole drin. Ansonsten habe ich einmal einen Mann und sein Auto fotografiert und … jemanden in ein Café eingeladen.«
Victor schnaubte amüsiert. »Klingt ja nicht sehr bedrohlich. Hast du irgendeine Ahnung, warum du das alles machen solltest?«
»Nein. Nur beim letzten Auftrag, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich sollte unserem Englischlehrer Digitalis in den Tee schütten. Er findet Erebos … na ja, gefährlich und versucht, die Leute davon wegzukriegen. Einer der Gnome hat irgendwann mal gesagt, wir sollen Feinde als Feinde behandeln, und ich denke, das ist es, was das Spiel sich darunter vorstellt.«
Victor sah verstört drein. »In den Tee?«, fragte er, als wäre das das Verwerflichste an dem Auftrag.
»Ja. Ich habe aber kalte Füße gekriegt und deshalb bin ich rausgeflogen.« Nick war erstaunt, wie gut es tat, darüber zu sprechen. Auf einmal schien alles weniger bedrohlich.
»Hast du dir je überlegt, warum das Spiel verlangt, was es verlangt?«, fragte Victor nach einer kurzen Pause.
Nein, das hatte er nicht. Nicht ernsthaft. Na ja, ein paarmal war ihm eine ähnliche Frage durch den Kopf geschossen, besonders, als es um das Date mit Brynne und den Fotoauftrag gegangen war. Wer hatte etwas davon?
Der Gedanke war immer wieder schnell in den Hintergrund getreten. Es waren einfach Aufgaben. Hindernisse, die man überwinden musste, um weiterzukommen, wie bei einer Schnitzeljagd.
»Ich dachte, es geht einfach darum, das Spiel interessant und spannend zu machen«, sagte er und begriff nun, da er es laut aussprach, wie unwahrscheinlich das war.
»Wenn mich nicht alles täuscht, dann lässt das Spiel seine Spieler zusammen funktionieren wie eine gut geölte Maschine«, sagte Victor grüblerisch. »Einer versteckt etwas, der Nächste holt es und bringt es an einen anderen Platz. Einer kauft etwas, ein Zweiter beobachtet ihn dabei und erstattet Rapport, damit das Spiel seine weiteren Züge planen kann. Nachdem was Emily mir erzählt hat, glaube ich, ihr alle arbeitet an etwas mit, das keiner durchschauen kann, weil jeder nur einen winzig kleinen Teil davon kennt. Ein oder zwei Steinchen im großen Mosaik.« Victor gluckste. »Und nun bin ich auch dabei, aber ich will das ganze Bild sehen, verdammt noch mal!«
›Das ganze Bild.‹ Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte ein Bild in Nicks Kopf auf, ein buntes, vertrautes Bild, doch es war verschwunden, bevor er wusste, was es gewesen war.
»Weißt du, was helfen würde? Wenn ich mehr Geschichten wie deine hören könnte. Wenn wir wüssten, welche Aufgaben das Spiel sonst noch verteilt hat. Wir könnten die Informationen zusammenpuzzeln und wer weiß?« Victor rieb sich die Hände. »Vielleicht kommt am Ende raus, dass wir den heiligen Gral suchen oder so was, haha.« Victors gute Laune war ansteckend.
»Wenn du willst, versuche ich, ein paar der ehemaligen Spieler zu befragen«, schlug Nick vor. »Kann aber sein, dass mir keiner was erzählt. Beim
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